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364 VIII. Hauptverhandlung und Urteil
Elisabeth Greif • Verkehrte
Leidenschaft¶
mag auch eine Rolle gespielt haben, dass ab August 1934 zum Schöf-
fenamt nur mehr » vaterlandstreue österreichische Bundesbürger « zu
bestellen waren.1682
E. Zusammenfassung
Mit der Hauptverhandlung und dem daran anschlieĂźenden Urteil er-
reichte das Strafverfahren seinen Höhepunkt. Die Prozessgrundsätze
der Ă–ffentlichkeit, Unmittelbarkeit und MĂĽndlichkeit wurden durch
die Hauptverhandlung verwirklicht, in der sich das » Finden des Rechts «
auch äußerlich wahrnehmbar darstellte. Dabei wurde die » Inszenie-
rung « des Strafverfahrens durch ein Zusammenspiel der verfahrens-
rechtlichen Vorschriften und der prozessleitenden Funktion des Vor-
sitzenden geprägt. Bei den Darstellungen vor Gericht ging es um mehr,
als um die bloße Anwendung des materiellen Rechts und die öffentlich
kontrollierbare Wahrheitsfindung. Dies verdeutlichen die im Verlauf
des 19. Jahrhunderts entstandenen Gerichtsbauten und » Justizpaläste «
ebenso wie die EinfĂĽhrung eines richterlichen Amtskleides. Beide Ent-
wicklungen symbolisierten die nunmehrige Trennung von Justiz und
Verwaltung und dienten der Herstellung von WĂĽrde und Erhabenheit
des Gerichts. Da sich der Strafprozess nunmehr vor den Augen eines
mitunter schwer einzuschätzenden Publikums vollzog, unterwarfen
strafprozessuale Vorschriften, die Geschäftsordnung der Gerichte, jus-
tizministerielle Erlässe, aber auch » Sitte und Übung « das Verhalten der
am Prozess beteiligten Personen bestimmten Regeln.
Innerhalb dieses Regelwerkes vollzog sich im Prozess das Sprechen
ĂĽber unzĂĽchtige Handlungen. Ungeachtet der Prinzipien des refor-
mierten Strafverfahrens handelte es sich bei den während einer Haupt-
verhandlung gemachten Aussagen der Angeklagten, Zeuginnen und
Zeugen in der Regel nicht um spontane Schilderungen, sondern um
Erzählungen, die zum wiederholten Mal im Laufe eines Strafverfahrens
wiedergegeben wurden. Wichen sie von frĂĽher gemachten Aussagen ab
Ă–sterreich 174; Ă–sterreichisches Statistisches Landesamt ( hg ), Jahrbuch 247. Dazu
auch Kreidl Waltraud, Interessenshintergrund der Abtreibungsgesetzgebung am
Beispiel der Zwischenkriegszeit in Ă–sterreich ( 1978 ) 110. Zur Rolle der Sexualwis-
senschaft im Austrofaschismus vgl Mildenberger Florian, Richtung 291.
1682 Siehe Kapitel V.
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Verkehrte Leidenschaft
Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
Aus- und Verhandlungsprozesse vor dem Landesgericht Linz 1918 – 1938
- Title
- Verkehrte Leidenschaft
- Subtitle
- Gleichgeschlechtliche Unzucht im Kontext von Strafrecht und Medizin
- Author
- Elisabeth Greif
- Publisher
- Jan Sramek Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-7097-0205-5
- Size
- 15.0 x 23.0 cm
- Pages
- 478
- Category
- Recht und Politik