Page - 6 - in Grillparzers sämtliche Werke - Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
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Einleitung.
Plan des ^v«t^. Au, nächsten Tage begab er
sich in die Hofbibliothck, ließ sich die Fragmente
ihrer Gedichte geben, übersetzte das eine voll-
iiändige „An die Licbesgottin": er nahm das
Lied an die „goldthroncnde Aphrodite" später
in da>> Trania selbst auf. Er ging gleich an die
Arbeit und vollendete das Wert in nicht ganz
drei Wochen, „Sappho" wurde am 21. April
1818 am Hosburgthcater zum ersten Male ge-
geben: Sophie Echrödcr spielte die Titelrolle;
es hatte einen durchschlagenden Erfolg,
„Tappho" ist Grillpar^ers Meisterwerk, Diese
sappho liat z,var auch eine 'Ahusrau, die Curiunc
der Madame ^t>M, die dainalc' zur Modeleltürc
der gebildeten Europäer gehörte, Nie auf dem
«apitol gekrönte Tichteriu mit ihren Liebes-
schulcrzen war eine moderne Eappliu, U'en,, sie
sich auch nicht vom Tarpcjischen Felsen herunter
stürzte wie jene vom lcukadischcn,
Tic geistige Vedeutung der Frau muß zu
)iomliktcn des Herzens sühren — das war der
^ruüdton der Eorinne und der Sappho. Toch
N'lc meisnrlwfi, mit luelcher draniatischen Steige
rung hatte der Tichter diesen Konflikt heraus-
gearbeitet. Man hat es dem Nrama zuui Vor
Wurf gciuncht, daß seine geistig so hervorragende
Heldin sich ni einen so iiubedeliteuden Jüng-
ling verliebt wie Phaon ist: doch dies gerade ist
von großer pfycholugischer Walnbeit, denn eiu
für welche sie Neigung empfinden, mit Vor-
zügen auszuschmücken, die sie aus ihrem eigenen
Reichtum auf fie übertragen, Phnon zeigte sic!,
überdies als eiu begeisterter Anhänger der ge-
feierten Tichtcrin, und daß der schöne Jüngling
auf ihr eignes Tchönlieil''gesiiln und ihre reife
Sinnlichteit großen Eindruck niachen mnßte, ist
Reiche d.r Phantasie stammende Leidenschaft
findet in Melitta eine liebenswürdige Alters-
gcnossin: jetzt erst geht ihm das herz anf in
einer Neigung, die aus fchöucr Glcichariigleit
des Empfindens hervorgeht: zu Sappho hatte er
immer wie zn einen, ln'1'ei.en Wesen emporblicken
üiilsicu. ^iclitta criiniert an die Goethcschcn
Wädchengcstalten, sie ist reizvoll in ihrer zarten
und innigen hingcbnng: nur der llndant gegen
ihre Herrin bedrückt ihr (^cmüt. Niese ader
bis zur Selbstvernichtnng fiihrt, Ihre aufslaiu«
Handlung in stürmische Bewegtheit, während
in den erste» Atten der Nciz der ncbeneniander-
gestellten «onlrastc friedlich wirkt. Ner harmo-
nische. Aufbau, der an die großen Muster des
Altertums und an die Iphigcnie erinnert, wäh-
rend „Tie Ahufrau" mehr an die spanischen
leere Tctlamation verfällt, sondern mit echter
Poesie gesättigt ist, erhoben die „Tappho" hoch über die Tichterwerle der glen1,zei!igen 3c!n>'!
salsdramatiter, und wrnu man ^riüparzer zu
unseren >Uassitern rechnet, fu tann sich oieje In'l'e
3^hätzung des Tichtcrs vor allen, auf feine
„>^appho" stützen. Lord Vhron, der die 3appdo in
einer italienifchcn Uberfctzuug vo» ^>uido ^orcll,
gelesen hatte, nannte die^ ^ranelspie! großartig
und erhaben: er meinte, l^nllpm-zer, das sei
ein vertenfrüer Ännie für die Nai!,welt: adee
>,e müßte >o lernen ihn aiiozuspreäien. Äu Ve>
lleincreru felilte e« freilich nichi; >lo!>ege^I>!llnei,
den Grillparzer durch die Ablehnung e>ne> g>,ien
Rates gelräntt InUte, stand nn der ^piue; d,e
Nomnntiker sprachen sich in geliäjnger ^veise
über die Tichtnng aus, doch ^^,I!plilzer mocliie
fich mit Schiller trösten.
Ner schöne Erfolg der „Snftpho" hatte aus
seine noch immer sehr lünunerliche LedeiX'
siellung gilustigen Einfluß. Nci Finnnzniiuisier
Graf Stadion, ein fcingebildeler Be>i,,,tcr »nd
bis zu seinem Tode ein Gönner und ^rlnrnilierr
des Aichtcrs, nahm fich seiner au uud verfchasiie
ihm eine mit -,'",.,!, Guide» l<>el,alt verbuud^ue
^leüuug a!c> Theaterdichter de-> Burgll,e,i!e,<'.
'.'lußerde!,! forgte er dafür, daß er au-> de,u ^o>!
bureau in ein Depaitenieut versent wiiide,
welches sich anch mit den Theaterfin,inzen de
schästigte. Hier fand er indeo einen ^lui, d.r
ihm feindlich gefinnt !uar nnd ihn» iede^ ^^uteu
ersllni'erte. Wa5 >,alf e-> ihm da, daß Mctternich
selbst ihn hatte zu sich kommen lassen, sein 2tin'
lodle nnd ihn in jeder Hveise zn fördern Uer»
unfrei,ndlichslen Chitancn au^geseNt.
wegen seiner angegriffene» >,'>esu»d!!e,i si>l, mil
seiner nervenkranken M»tter begebe», fiel i!,,!,
ein mhthologisches Lerilon i» die ,^a»d. ^>,
fällig las er den Artikel „Medea", üiid die !^>e
stalt der Kindesmördcrin erhob sich vor sei,n»
hoheitsvolle» Tappho, deren Leidenjchaft sie
nis>her Glut das Nächste, das sie umgab, dem
Pi'.d.rbeu weihte. Er beschloß sie zur .velen»
eim'o 3ranei!piel> zu machen, doch der gewaltige
Stoff gliederte sich ihm von. selbst zu eiuer Tn
logie. Qs U'ar iliui i,,d,-> ,,,>!!t beschicken, in
einen: Zuge die Nichtuug zu volleudeu, nüe rs
ihm mit der „Ahusrau" »ud der „^appho" ge-
zärilich liebte, hatte in einei» Äiisall von reli^
giüsem 3vah»s>»» ,vaud an sich gelegt — das
warf einen Schatten in sein Lebe,,, der auch
sein dichterisches Schaffen lahmte. Sein körper-
liches Leide», welch» ni ^ade,i tei»e >xiiu!i,i
gefunden, und erst in Gastcin, wohin ilm d> r
Äifchos Ladislaus Pyrtcr, der epische Nichtcr,
ein. Eine Gleise »ach Italieu sollte ihm jel't
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- I
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.7 x 17.1 cm
- Pages
- 600
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515