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Einleitung. I I
Nicht« der „Ahusrau" und der „Tappho" empor-
gestiegen in Begleitung von Anastafius Grucn,
des Grafen Auerspcrg, eines der trcncstcn
Freunde des Dichters, Bei solcher Einführung
durfte ich auf freundlichen Empfang rechnen.
Der erste Eindruck, den er auf mich machte, war
lein bestechender; es war der eines subalternen
Beamten, dem es an tiefen Aktcnrnnzeln nicht
schlte; auch war er etwas schwerhörig, und so
kam die Unterhaltung nicht leicht in Fluß, Doch
als er warmer wurde, war er uon gewinnender
Liebenswürdigkeit; sein blancs Auge besonders
lilickte so freundlich »ud warm, das; aller bureau-
kratische Staub Uon seiner Erscheinung ivie sort-
in ihm sah.
Im Jahre 1836 hatte er, um die graue Ein«
tünigteit seiner Existenz zu unterbrechen, eine
er auch Heine nnd Borne besucht, Durch das
Fiasko seines Lustspiels wurde seine Stimmung
wieder in bedenklicher Weise getrübt, Der ganze
Druck des engherzigen bureaulratischen Systems
lastete auf ihm — und so begrüßte er das Jahr
18^8, das den Sturz desselben zu bringen schien,
politischen Lyrik, Doch als der drohende Abfall
der Völker vom Kaiserreich, verbunden mit zer-
rüttenden inuercn Kämpfen, den Ncstand der
sein berühmtes Radetzkylied:
In deine,» Lager ist Österreich,
Wir andern sind einzelne Trümmer,
Einem jnngdentschen Schriftsteller war es
vorbehalten, dem beiseite geschobenen Drama-
tiker wieder die Bühne zu erobern, Heinrich
Laube hatte die Direktion des Burgtheaters
ein Drama Grillparzers aus dem Schutt der
Theatcrbibliothek hcrausgegrabeu, Seine Sym-
pathie fur Gri»par',er war nicht recht ertlär-
aus welcher d>ri!Ip,irzers Muse in mancher Hin-
sicht herausgewachsen war, hatte er eine ent-
schiedene Abneigung, Uni so höher ist es zu
strebt war, seinen Ruhm zu verbreiten, hierzu
kam, daß seine Direttionsführnng einen frischen
Iug hatte und das Wiener Publikum wieder
für das Theater interessierte. Vor allem schlug
die Presse, welche die jungdeutschen Autoreu zu
würdigen und zu beherrsche» verstanden, auf eiu
mal ?öue zum Lobe des Dichters an, welche auch
im dcutfchen Reich ein lebhaftes Echo fanden,
Mau vergleiche die l.'iteraturgeschichten vorhernud
nachher; vorher wurde Grillpnrzer mit einigen
^eiil.n abgefertigt, — jetzt wird ce meistens ein gehend mit Liebe und warmer Anerkennung be-
handelt und auch Uon den Widerstrebenden nicht
beiseite geschoben, sondern wenigstens mit ein-
geschränktem Lob bedacht. So hat Laube, ciu
Norddeutscher, den Österreichern ihren heruor»
ragendstcn Dramatiker gleichsam ncn entdeckt,
lind dem Dichter selbst sollten im höheren
Lebensalter ans einmal Lorbecrn zufallen, die
er in den langen Zeiten verbitterter Einsamkeit
vergebens ersehnt hatte. Der bescheidene Kon-
zipist, Skriptor und Archiubeamtc wurde 1861
n,s Herrenhaus berufen, wo er neben den Großen
des Reichs saß, Wegen seiner Schwerhörigkeit
besuchte er das Herrenhaus selten, aber bei
wichtigen Sitzungen fehlte er nicht. Am ^1. März
Konkordat stattfand, in welcher fein freund
Änastasins Gruen gegen das „gedruckte Eanossa"
sprach, ließ er sich in einem Tragsessel ins
.Herrenhaus tragen, da er leidend war und seine
Füße ihn im Stich ließen. Am Arm des be-
freundeten Dichters betrat er den Sitzungssaal
schaffnng des Konkordats, An seinem achtzigsten
Geburtsiag 1.'>, Januar 1871) huldigte ihm u,cht
unr ganz Wien bis hinauf iu die höchsten >i reise,
auch aus dem deutschen Reich trafen uon allen
Seiten, van Fürsten, Gelehrten, Künstlern und
Frauteu Goethe und dem Schwaben Schiller,
Nur ein Jahr nnd sechs Tage überlebte der
Dichter das große Fest, — am ^1, Fauuar 1872
schied er sanft und leicht aus dem Leben, Und
wiederum gab es eine Grillparzerfrier in der
Tonaustadt, — eine Leichenfeier, ein Begräbnis,
Hamburg zuteil geworden, — wie armselig war
das Begräbnis Schillers in Weimar gewesen!
Der 'Nachlaß Grillparzers war ein sehr reich»
haltiger: nicht bloß drei Dramen hatte er voll-
endet in seinem Pnlte liegen, neben zahlreichen
Fragmenten und halb oder ganz unausgeführten
bücheru uud Blättern nur wenige veröffentlicht
worden waren, außerdem Studien, litcrarische
Urteile, Tagebuchblätter, vor allem eine Fijlle
von Aphorismen und Sprüchen in Vers und
Prc>sa, Von seinen vollendeten Tramen schließt
sich „Bruderzwist im hause habsburg" au seiur
andern österreichischen Geschichtsdramen an.
Der „Bruderzwist" enthält eine der besten
Eharatterzeichnungen Grillparzers, diejenige des
Kaisers Rudolf; der Dichter hat in dieselbe viel
von seinem eigensten Wesen hineingcheimnißt-
das Grillenhafte und Weltfremde, das einsam
Brütende, Der Kaiser, weit tiefer als Wallen-
stein in astrologische Studien verstrickt, sieht
ruhig zu, wie ihm ein Erbland nach dem andern
entrissen wird. So gänzlich tatenlos rafft er
sich plö!.',lich zn einer über das ^,iel hinaus-
schießenden Energie empor, tritt seiuem Stief-
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- I
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.7 x 17.1 cm
- Pages
- 600
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515