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174 König Ottulars Glück und Ende.
Ein Bcttlertind süß' besser auf dem Thron,
Als Künigssöhue, die das Unrecht zeugte!
Was gibt man weiter an, als fernern Grnnd?
Rudolf.
Verwandt seid Ihr im unerlaubten Grad.
Margaret«.
Man hat in meiner Jugend mir erzählt
Von einem Bela wohl und einem Geysa,
Nie Brüder waren, Töchter hatten und
In Väter Väterszeit, Ncr König spottet!
Es sind die Fürstenhäuser alle sich verwandt,
Und solchen Grads Erlnssung fällt nicht schwer.
Auch hat man anfangs dessen nicht erwähnt!
Nndolf.
Erinnrung kam mit der gelegnen Zeit!
Margareta.
Glaubt nicht, daß mich bekümmert, fortzugehn,
Daß es mir leid tut nm des Hufes Ehren!
N tonnt' ich jetzt, in diesem Augenblick,
Weit hinter mir der Krone Glanz nnd^Pracht,
Allwo ich saß nach meines Gatten Tod
Und sein und meiner Kinder Fall beweinte!
Der König sende heute noch mich fort,
Ich will ihm danken, wie ich nie gedankt!
Noch soll er mir die Ehre nicht betasten,
Beflecken nicht das Band, das uns vereint,
Und fo der jüngstvcrfloßnen Jahre Lauf
Znm Greuel machen und zum Ärgernis!
Ich habe diefe Krone nicht gesucht!
Auf Haimburg saß ich, meines Grains gedenkend,
Beinah dem allgemeinen Elend taub!
Nenn Brand und Raub verwüstete mein Land;
Der Ungar hier, der Bayer dort, der Nölinie,
Sie hausten mit dem Schwert in Österreich,
Verderbend meiner Väter schönes Erbe,
Da tagten sie, die Herrn, zu Tricbensee,
Wie fie dem Wesen einen Vogt gewännen,
Und Boten sandten sie ins Mcißncrland,
Von dorther einen Fürsten sich zu holen,
Konstanzias, der Vabenberg'rin, Sohn,
Nie Voten aber fing der König auf,
Ner damals herrscht' in Böhmen, Wcnzeslao,
Ner Listige; nnd ließ nicht eher ab
Mit Bitten, Drohn, Versprechen nnd Geschenken,
Bis seinem Sohn, bis diesem Ottukar
Der Herren Wahl, des Landes Herrschaft wurde.
Der wollte, jeuer nicht; und neuer Krieg
Durchflammtc glühnder meines Landes Fluren,
Na traten zu mir hin, auf Haimburgs Schloß,
Nie Landesherrn und Nagten ihre Not,
Ein Mittel, als das einz'ge, nannten sie:
Des Stärksten Recht durch meines zu verstärken,
Nnrch Ottokars Vermählung und die meine
Mit Böhmen zu vereinen Österreich.
Ich sagte: Nein! — gedenkend meines Gatten,
Der meine Treue mit sich nabm ins Grab,
Na führten sie mich auf des Schlosses Söller
Und zeigten mir das glutuersengte Land, Nie Felder nackt, die Hütten leer, die Menschen
tot.
Von Weibern, Kindern, Blutenden, Verletzten
Zu mir um Rettung flehend, dic's vermochte.
Na wollt' ich alles und versprach es ihnen,
Sie aber brachten Ottukarn zu mir,
Mir ihn bezeichnend als den tünft'gen Galten,
Mit schwarzem Nug' aus schwarzen Brauen
I'li.leud,
Stand er in scheuer Ferne sinnend da
Und maß, der Jüngling, mich, die Alternde,
Allein des Landes N^t bei mir ,^'denlend.
Trat ich zu ihm und sprach ihn freundliil, an^
Und fo ward ich sein Weib, Ich hab' ihn nie
geliebt;
Ich dachte nie, ob ich ihn liebe» tt>,mi>'-
Noch sorgt' ich still für ihn, und wie ich sorgte,
Fand cin Gefühl sich mir im Innern ein,
Tas allen Schmerz der Liebe tcunt, wenn auch
Nichts von der Liebe Glück, So war's mit uns.
Nun nrteilt, ob Entfernung mich erschreckt,
Ja, ich will gehn, doch bleibt die Ehe fest,
Nichts ward verletzt, was ihren Bruch begehrte.
Rudolf.
Von einem spricht man noch: daß Ihr zn Trier
Nach Eures Gatten, König Heinrichs, Tod
Nicht mehr Euch zu vermählen feierlich gelobt.
Noch ist's Erdichtung wohl!
Margarcta.
Nein, das ist wahr!
Es war kein feierlich Gelübd', kein solches,
Tas andre Baude kirchlich brechen könnte i
Doch hab' ich es gelobt — und hätt' es halten
sM.'ii! —
Zu Trier lag ich im Gebet vor Gott,
Nicht Manneshändc sollten He berühren
Ncn kleinsten Finger mir, des Kleides Saum,
Und selbst ein Weib nicht nieine Lippen küssen,
Nie einst an Heinrichs teuren: Mund geruht,
Ja, ich gelobt's, und alles Unheil rief ich,
Wenn ich's je bräche, nieder auf mein Haupt,
Nas Unheil, merk' ich, tut, was seines Anites,
Nochmal, es war kein feierlich Gelllbd'!
Ich tat's nur mir und meines Heinrich Schatten!
Doch war's Gelübd', ich hätt' es halten sollen!
Rudolf.
Was, gnäd'ge Frau, soll ich dem König melde»?
Margarete,.
Wie rasch wir sind, an andern das zu tadeln,
Was selber wir, wenn minder gleich, verübt!
Sagt König Ottokar, Herr Graf'von Habsburg:
Das Ganze legt' ich ihm auf sein Gewissen,
Was er entscheide, das sei mir genehm.
Ihr willigt cin?
Margaret».
Ich widerspreche nicht.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- I
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.7 x 17.1 cm
- Pages
- 600
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515