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512 Libussa.
Wlasta,
Lan sie, Ü1,;!
Wenn du sie störst, gefährdest du ihr ^el>eu,
Libussll.
Gehütet hab' ich ench, dem Hirten gleich,
Der seine Lämmer treibt auf frische Wcioe.
Ihr aber wollt nicht mehr geliütei feiu,
Wollt selbst euch hüteu — Hirt zugleich und
.Herde,
So will's vielleicht der Gang der raschen Welt,
Das ilmd wird Mauu, der Manu eni Greis —
<Sich zurücklehnend >
I in Geiste seh' ich einen schönen !^>ii>t,,i
Und drin zwei Mensclieu beiderlei GescINechtZ
Und einen Göttlichen, das Bild der Güte,
Bis nur auf einen, dessen Frucht Erleuueu.
Ihr habt gegessen von dem Wissensbanin
Nnd wollt euch fort mit seiner Frucht ernähren,
Glück auf den Weg! ich geb' euch auf von heut,
lind eine Stadt gedeult ihr hier zu baun;
Hervorzugehn aus euer» frommen Hütten,
Wo jeder war als Menfch, als Sohn nnd Gatte,
'.'!,, das er selbst und siä> geuug,
Vcglückt mit allem, was das Leben braucht,
Von Bergen eingefchloffcn, die fein Silmn,
So daß, wenn rings so Land als Meer verginge,
Es für sich selbst bestünde, eine Welt —
Wollt il,r heraus mit liabbegier'gem Trachten
lind heimisch sein i,u <>leuidcu, svemd zu Haus,
Seht an den Vnch, so schön in seinen Ufern,
Wie alles blüht und lacht, wie froh er murmelt,
Noch strebt er weiter, weiter bis zum ^li/om,
Ergießt fein Wasser in die fremden Wellen,
Tann wird er breit und tief nnd rasch nnd
Doch Diener eines andern, nicht er selbst,
Nicht mehr der Bach mit seinen klaren Wellen,
Es lösen sich der Wesen alte Bande,
Zum Ungemeßucn wird, was hold begrenzt!
Ja selbst die Götter dehnen sich und wachsen
Und mischen sich in einen NiesenMt,
Und allgemeine Liebe wird er heißen,
Toch teilst du deine Liebe in das All,
Bleibt wenig für deu einzelnen, den nächsten.
Und ganz dir in der Vrnst nur noch der Haß,
?,e LiVbe liebt den nahen Gegenstand,
Und alle lieben ist nicht mehr Gefühl;
Was dn Empfindung wähnst, ist nur Gedanke,
Und der Gedanke schrumpft dir ein zum Wort,
llud uin des Wortes willen wirst dn hassen,
Verfolgen, tüten ^ Vlnt umgibt mich, Blut, Durch dich vergossen fremdes und v^'u 7^c,udcn
deines —
?ie Mciuung wird dann wüten nnd de,
Der eudlos, weil die Meinung uur du »Vll'st
Und du der Zieger diit uud dVr ^enegN',
Löst endlich sich die ^wietrach! auf in nichts,
Vleibt dir die ^ ,i,>! lvv Wiül^r,
Da du so lange dn'Ii ,,, ^^otl gedacht,
Teutst du ;u!e,,tt deu ^>0tt nur iwch in dir,
Ter eigne Nuheu >vi>d d>r zuui Altar,
llud Eigenliebe deines ^>V>,s Äüsdru!'!',
Tann wirst du N'eitl'r schreitt'u fort und fort,
^virst Wege dir criiud.'i,, >n'u>' '.'.'littel
Für deinen Göyeudieust, dcn g,> l g>-u '^auch,
Und der Veancmlichleit zur e!>>,i '.'i>i!nuug.
?iil,l: unbekannte ^ieeee wirst dn schissen,
'.'lnöl'ruten, was die Welt au ^>,!',>'i! ilägt,
llud nlloerschliugoud sein, 0i.'>!i ^!I v
Nicht mehr mit blut gcn Waffen wird man
lä,>,,pseu,
Ncr Trug, die Hinterlist erseht das Schwelt
Nas Edle schluindct von der weil,',, Eidc,
Nas 5)ohc sieht vom '^n-d^ru sich verdiäügt,
lind Freiheit wird sich u,'uucu d,c !',c,uein>ieit,
Als Gleichheit brüsten sicl, ^ >lVi),
Gilt jedcr nur als Mcujch, ^ieusch sind sie alle,
«lieg jedem V0r^,,g I,c,s,t da-^ ^'ofungsn'ort,
Tann schließen sich de<- ^ !,n,ü>l i!,,,id,,e Pforten,
Begeisterung und Glaul'eu nud Vcltrauu,
Und was herabträuft von den scl'gen Göttern,
Nimnit nicltt dcn Weg u,el,r zu der >>>u>,cu Wclt,
Im Le^icu v^>,l l'>'r>iel>>'u>> sich die «rast,
Laßt mich herab! Ich will nicht weiter forschen,
Niü Sinne schwindeln, nnd der Geist vergeht.
Libussa, komm zn nno! Ich seh's, dn leidest,
lind nnser Wert — wir gebcn's auf von hent.
Lllnissa.
^aut eure Sladt, deuu sie wird blühn und
grünen.
Wie eine Fahne einigen das Volt.
Und tüchtig wird das Volk sein, tren und bieder.
Geduldig harrend, bis die Zeit au ihm,
Venn alle Völker dicfcr weiten Erde,
Sie treten anf den Schauplatz nach und nach:
Nie an dem Po und bei deu Älp>)u wohnen,
Nann zu den Phrcnäen kehrt die
Die aus der Seine trinken und der Rhone,
Schauspieler stets, sie fpiclen dranf den Hcrrn.
Ner Brite spannt das Netz von seiner Insel
Und treibt die Fische in sein goldncs Garn.
Ja, selbst die Menschen jenseits eurer Berge,
Das blaugeauate. Volt voll roher Kraft,
Das nur im Fortfchritt kaum bewahrt die
Starte,
Blind, wenn es handelt, tatlos, wenn es denkt
Auck sie bestrahlt der Weltensunnc Schimmer,
Und Erbe aller Frühern glänzt der Stern.
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Grillparzers sämtliche Werke
Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern, Volume I
- Title
- Grillparzers sämtliche Werke
- Subtitle
- Neue illustrierte Ausgabe in zwei Bändern
- Volume
- I
- Editor
- Rudolf von Gottschall
- Publisher
- Hansa-Verlag
- Location
- Hamburg
- Date
- 1906
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 11.7 x 17.1 cm
- Pages
- 600
- Keywords
- Dramatik, Literatur, Gedichte
- Categories
- Weiteres Belletristik
Table of contents
- Einleitung
- I. Dramen 14
- Die Ahnfrau (1817) 17
- Sappho (1819) 50
- Das goldene Vließ (1822) 89
- König Ottokars Glück und Ende (1825) 169
- Ein treuer Diener seines Herrn(1830) 222
- Des Meeres und der Liebe Wellen (1840) 262
- Der Traum ein Leben (1840) 300
- Melusina. Romantische Oper (1833) 339
- Weh dem der lügt, Lustspiel (1840) 355
- Die Jüdin von Toledo 393
- Ein Bruderzwist in Habsburg 424
- Libussa 473
- Fragmente 515