Page - 12 - in Guido Adlers Erbe - Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
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© 2017, V&R unipress GmbH, Göttingen
ISBN Print: 9783847107217 – ISBN E-Lib: 9783737007214
vom immer stärkerwerdendenNationalitätenkonflikt inderHabsburgermon-
archie, versuchte, die jeweilige „National-Musik“ in eineBrückenfunktionein-
zupassen.Dies zeigte sichbeispielsweisebeidemVersuch, tschechischeMusik
als „böhmische“, d.h. Habsburg loyale Musik, gleichwertig mit deutscher/
österreichischer Klassik auf der Internationalen Ausstellung für Musik- und
Theaterwesen inWien1892zupräsentieren.Gleichzeitig institutionalisierte er
dieuniversitäreMusikwissenschaftdurchdieEtablierungundErweiterungdes
musikwissenschaftlichenInstitutsderUniversitätWienseit 1898.Erprägtedie
Disziplinviele JahrzehntedurchumfassendePublikationenwiedieDenkmäler
derTonkunst inĂ–sterreichunddasHandbuchderMusikgeschichte.Dabeiwird
abernichtübersehen,dassergegenüberder„zeitgenössischenMusik“durchaus
negativ-kritischauftretenkonnte.
Clemens Zoidl zeigt Adlers schwindenden Einfluss auf die Musikwissen-
schaft, der sich bereits 1927 in der Bestellung seinesNachfolgers Robert Lach
manifestierte.Mit ihmsetztenichtnurdie auchantisemitischbegrĂĽndeteVer-
drängung der stilkritischen SchuleAdlers ein, die nach der nationalsozialisti-
schenMachtergreifung1938endgĂĽltig inderVerfolgungGuidoAdlersundaller
Menschen jĂĽdischerHerkunft endete. FritzTrĂĽmpi rekonstruiert anhandneu-
esterForschungdienationalsozialistischeMusikpolitik inWiennach1938,die
die „neue“Folie fürdieMusikwissenschaftdarstellte.
Damit wurden zugleich wissenschaftstheoretische Zugänge als „jüdisch“
denunziertundausgegrenzt–eineTendenz,dieLachsNachfolger,der37-jährige
NSDAP-Proteg8ErichSchenk, fortsetzteundviele Jahrzehntenach1945weiter
verfolgte. Während Adlers Tod am 15.Februar 1941 von der NS-Presse ver-
schwiegenwurde,gabesinternationaldurchauseineentsprechendeWĂĽrdigung.
Sowird in einemumfassendenGesprächPhilippV.BohlmansmitBrunoNettl
vonderUniversityof IllinoisatUrbana-ChampaigndiewichtigeRezeptionder
WerkeundMethodenGuidoAdlers indenUSAthematisiert.
Ziel diesesBandes ist es, die durchdenNationalsozialismus, aber auchden
Antisemitismus vor 1938 gebrochene Erinnerung und Rezeption von Guido
Adler als bedeutendstemMusikwissenschaftler wieder in die aktuelle Diskus-
sion zu holen und seine Rolle in der Entwicklung der europäischen undUS-
Amerikanischen Musikwissenschaft zu analysieren. In diesem Sinne ist die
Geschichte desRaubes undder sehr spätenRestitutionvonTeilen der Privat-
bibliothek Adlers an die Erben ein Versuch, ein StĂĽck kritischer Wissen-
schaftsgeschichtedesFachesneuzuentwickeln.
GuidoAdlerwaraberanderUniversitätWienimmereinAußenseiter,obwohl
er sehr engmit dem öffentlichen Leben und vor allem demMusikbetrieb im
Konzert-undOpernlebenWiensverbundenwarunddorthochgeschätztwurde.
Ăśber die Fachgrenzen hinweg pflegte er vor allemmitNaturwissenschaftlern
MarkusStumpf
/HerbertPosch/OliverRathkolb12
Open-Access-Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY-NC-ND 4.0
Guido Adlers Erbe
Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Title
- Guido Adlers Erbe
- Subtitle
- Restitution und Erinnerung an der Universität Wien
- Editor
- Stefan Alker-Windbichler
- Murray Hall
- Markus Stumpf
- Publisher
- V&R unipress GmbH
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-7370-0721-4
- Size
- 15.5 x 23.2 cm
- Pages
- 316
- Keywords
- Political Science, National Socialism, Nazi-looted, musical life, provenance research, Nationalsozialismus, NS-Raub, Musikleben
- Category
- Kunst und Kultur