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Vorbemerkung .
Wo die schaffende Menschenhand ein Ornament hervorbring:!,
sei es, dafs dasselbe sich als eine völlig neue, selbständige Erfindung
darstellt, sei es, dafs es nur die eigenartig veränderte Wiedergabe
einer längst bekannten Grundidee ist, gleichviel, es wird stets folgendes
der Fall sein:
Entweder wird das Ornament dadurch hervorgerufen, dafs nach
den Gesetzen der Rhythmik, der Regelmäfsigkeit und Symmetrie Punkte
imd Linien gereiht und verbunden, geometrische Figuren gebildet und
zerlegt werden,
oder es entsteht in der Weise dafs der ornamentierende Mensch
Dinge der AuTsenwelt wiederzugeben versucht. Da bietet sich ihm
zunächst die organische Natur mit den Gebilden der Pflanzen- und
Tierwelt, sowie dem menschlichen Organismus zur Nachbildung dar.
Aber auch die leblose Natur liefert vereinzelte Vorbilder; es seien
beispielsweise erwähnt die Kristallisationsformen (Schneesterne) und
die Naturerscheinungen (Wolken, Wasserwogen u. s. w.). Eine reich-
liche Ausbeute gewähren die künstlichen, vom Menschen selbst ge-
schaffenen Gegenstände der mannigfachsten Art.
Merkwürdigerweise wählt das Ornament in seinen Uranfängen
den erstgenannten Weg, obgleich er der abstrakteste ist. Das zeigt
die primitive Kunst der wilden Stämme heutiger und früherer Zeit.
Es erklärt sich durch den Umstand, dafs das geometrische Ornament
leichter herzustellen ist und eine geringere Kunstfertigkeit erfordert,
als die Nachbildung von Pflanzen, Tieren und künstlichen Dingen.
Selbstredend können beide Prinzipien auch vereint in Anwendung
kommen; geometrische Bildungen können sich mit Naturmotiven ver-
binden u. s. w. Femerhin lag es der menschlichen Einbildungskraft
nahe, der Natur entnommene Einzelheiten zu neuen in der letzteren
nicht vorkommenden Phantasiegestalten zusammenzusetzen (Sphynx,
Kentauren, Meerweiber, Tier- und Menschenleiber, welche in Pflanzen-
ranken verlaufen u. s. w.").
Wenn wir uns nun die Aufgabe stellen, die Grundlagen odei
Motive des Ornaments gruppenweise zusammenzufassen, so gelangen
wir mit Weglassung des Nebensächlichen und Vereinzelten zu der
Einteilung, wie sie auf der vorigen Seite angegeben ist. Es wird die
Aufgabe der ersten Abteilung des Handbuches sein, die meist vor-
kommenden, in der Ornamentik herkömmlich gewordenen Grund-
formen abzuhandeln; darnach wird sich auch dasjenige beurteilen
lassen, was nicht aufgenommen wurde, weil sein Vorkommen ver-
einzelter ist.
Handbuch der Ornamentik
Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Title
- Handbuch der Ornamentik
- Subtitle
- Zum Gebrauch für Musterzeichner, Architekten, Schulen und Gewerbetreibende sowie zum Studium im Allgemeinen
- Editor
- Franz Sales Meyer
- Location
- Leipzig
- Date
- 1937
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 9.6 x 15.7 cm
- Pages
- 628
- Category
- Kunst und Kultur