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II.1. Die Entwicklung Wiens als Wirtschaftsplatz 19
zu intensivieren48. Ein Grund für dieses intensive Bemühen der Wiener, die Verbindung
zu Venedig aufrecht zu erhalten, war der zunehmende Widerstand fremder Kaufleute
gegen das Niederlagsrecht; man versuchte, über andere Routen nach Ungarn zu gelan-
gen. 135149 bestätigte Herzog Albrecht II. (Senior der Dynastie 1330–1358) das Nieder-
lagsrecht schließlich in der Fassung von 1281, doch diesmal profitierten die Wiener von
dieser Maßnahme in der Hinsicht, dass das Privileg nun nicht nur für den Handel mit
Ungarn, sondern auch für die Geschäftsbeziehungen mit allen anderen Ländern Geltung
haben sollte50. Dass die Wiener diese Bestimmungen auszunützen gedachten, zeigt ein
zweites von Albrecht II. 1351 ausgestelltes Privileg51, durch das es der Stadt ermöglicht
wurde, den Verkehr auf der bedeutenden Handelsstraße von Venedig in das Land ob der
Enns zu kontrollieren. Wien erhielt das Recht, zur Mautstelle in Unterzeiring einen Be-
vollmächtigten zu entsenden, der kontrollieren sollte, dass nur mehr die fünf Städte Enns,
Freistadt, Gmunden, Linz und Wels über diese Handelsstraße in den Süden gelangen
durften. Somit entstand ein nicht zu unterschätzender Druck auf böhmische Kaufleute,
ihre Handelsrouten nach Venedig über Wien zu verlegen. Im Laufe der zweiten Hälfte
des 14. Jahrhunderts konnte dieser Straßenzwang jedoch nicht aufrechterhalten wer-
den52. Trotz allem lässt sich Wien im 14. Jahrhundert wirtschaftlich und handelspolitisch
als weit vernetzte Stadt betrachten: Kontakte bestanden in den flandrischen Raum, zur
Frankfurter Messe, nach Venedig, Böhmen, Mähren, Polen und schließlich auch nach
Ungarn53.
Die Handwerker profitierten ebenso von dem wirtschaftlichen Aufschwung der Stadt,
wenngleich sie überwiegend nicht direkt in den Fernhandel involviert waren; sie produ-
zierten meist für den lokalen Gebrauch und boten ihre Waren auf den Wiener Märkten
bzw. in bestimmten Stadtteilen oder Gassen an, in denen eine Vielzahl von Vertretern
desselben Gewerbes ihren Standort konzentrierte54. Das mittelalterliche Verständnis von
Handwerk unterscheidet sich jedoch wesentlich von der heutigen Begrifflichkeit: Neben
den Gewerbezweigen, die bestimmte Waren manuell produzierten, zählten auch Betriebe
des Kleinhandels (Krämer, Greißler, ...) und des Dienstleistungsbereichs (Bader, Barbier,
...) dazu55.
Die hochmittelalterlichen Anfänge des Wiener Handwerks liegen indes weitgehend
im Dunkeln. Die einzige Erwähnung eines Wiener Handwerkers im 12. Jahrhundert ge-
hört in den mittelbaren Zusammenhang des Kaufs eines Weingartens durch den Abt von
Michaelbeuern. Als Eigentümer des Kaufobjekts wird ein Wiener Goldschmied namens
Bruno genannt56. Als erstes umfassendes Privileg für ein Wiener Handwerk galt lange Zeit
48 Csendes–Opll, Geschichte Wiens 118.
49 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 379; Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek Nr. 44; QGW II/1 Nr. 379.
50 Luschin von Ebengreuth, Münzwesen 672; Csendes–Opll, Geschichte Wiens 123.
51 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 378; FRA III/11 Nr. 63; QGW II/1 Nr. 378.
52 Luschin von Ebengreuth, Münzwesen 672; Mayer, Handel 32; Csendes–Opll, Geschichte
Wiens 124.
53 Csendes–Opll, Geschichte Wiens 124.
54 Brunner, Finanzen 9, hebt in diesem Zusammenhang die Konsum- und Luxusgewerbe hervor,
deren Vertreter in Wien zahlreicher vorhanden waren als andere und die für den lokalen Gebrauch vor allem
des in Wien ansässigen Hofes produzierten.
55 Perger, Rahmen 225.
56 Für die Traditionsnotiz vgl. das Traditionsbuch von Michaelbeuern fol. 4v Nr. 19 und 20, ed. in
SUB 1 815 Nr. 88; und zukünftig: NÖUB 3 Nr. 1418; vgl. auch Uhlirz, Gewerbe 600; Piepes, Geschichte 7.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen