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III.1. Verwaltungsschriftwesen des Wiener Rats 47
Jahrhunderts vereinzelt und dann im 15. Jahrhundert zunehmend feststellen. Die öster-
reichischen Kleinstädte führten jedoch, vielleicht auch aufgrund des verhältnismäßig spä-
ten Einstiegs in das Stadtbuchwesen, neben Mischbüchern auch zahlreiche spezialisierte
buchförmige Verwaltungsschriften. Im Folgenden soll nun die bereits mehrmals angedeu-
tete Entwicklung des städtischen Schriftwesens von Wien näher untersucht werden, die
wohl für den diese Stadt umgebenden Raum wichtige Impulse setzte.
III.1.2. Schriftlichkeit des Wiener Rats: Anfänge und zunehmende Ausdifferenzierung
Im Fall von Wien reichen die Anfänge der städtischen Beurkundungsgeschäfte – zu-
mindest der erhaltenen Überlieferung nach – bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zu-
rück. Eine Urkunde von 1239, gegen deren Besiegelung jedoch Bedenken hinsichtlich
der Authentizität geäußert wurden240, und eine weitere vom 18. Februar 1255241 wurden
erstmals mit dem Stadtsiegel (sigillum civitatis Wiennensis) beglaubigt. Dieses Siegel fand
dabei doppelte Verwendung: zum einen zur Beglaubigung von Urkunden, die von der
Stadtgemeinde selbst ausgestellt wurden, zum anderen zur Besiegelung von durch Einzel-
personen oder Institutionen ausgestellten Urkunden242. Beurkundung in fremder Sache,
also die Ausstellung von Urkunden durch die Stadtgemeinde bzw. durch den im letzten
Drittel des 13. Jahrhunderts zunehmend in Erscheinung tretenden Wiener Rat in deren
Vertretung über Rechtsgeschäfte beliebiger Personen ohne direkten Bezug zu einer städ-
tischen Institution oder zu anderen städtischen Angelegenheiten, fehlen in dieser Zeit
völlig243.
Im Laufe der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts wurden die Zuständigkeiten des
Rats bezüglich der Beurkundung von Rechtsgeschäften sukzessive durch landesfürstliche
Privilegien erweitert. So wird beispielsweise im Stadtrecht von 1278 festgelegt, dass der
Nachweis der ehaften Not, der beim Verkauf von Erbgut bisher anscheinend vor dem
Stadtrichter erfolgt war, vor dem Stadtrat erbracht werden solle, der wiederum darüber
eine Bestätigungsurkunde auszustellen habe244. Ebenso wird den vom Rat ausgestellten
Urkunden immerwährende Gültigkeit und Beweiskraft vor allen Gerichten zugestan-
den245. In Folge dieser Bestimmungen nahm der Urkundenaustoß der Stadtgemeinde
bzw. des Wiener Rats in deren Vertretung um 1300 merklich zu. Da nun Bestätigungs-
240 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 3; QGW II/1 Nr. 3. Das Siegel dürfte erst in späterer Zeit befestigt worden
sein, vgl. von Pettenegg, Geschichte 15; Luntz, Beiträge 77. In der Corroboratio wird jedenfalls die Besie-
gelung mit dem Wiener Stadtsiegel angekündigt, es dürfte sich also bereits von Anfang an ein solches an der
Urkunde befunden haben – wenn auch nicht dasjenige, das heute daran zu finden ist.
241 WStLA, H. A.-Urk Nr. 4; QGW II/1 Nr. 4; von Pettenegg, Geschichte 16; Luntz, Beiträge 77.
Neben der Stadt Wien siegeln noch die Ausstellerin (Margarete von Zöbing) der Urkunde und andere österrei-
chische Adelige (nobiles de Austria); vgl. Zehetmayer, Urkunde 144.
242 Luntz, Beiträge 77; Ernst, Anfänge 45; Wiesinger, Wiener Stadtkanzlei 417. Die älteste erhal-
tene, von der Stadtgemeinde (dezidiert milites und cives) Wien ausgestellte Urkunde stammt vom 16. April
1257 und betrifft einen Verkauf an das Wiener Bürgerspital. Die Aussteller nennen sich explizit nur in der
Corroboratio: In cuius rei testimonium nos universitas militum ac civium Wienne una cum magistro et fratribus
hospitalis antedicti presentem paginam conscribi fecimus ac nostris sigillis presentibus roborari cum testibus subnotatis;
Hormayr, Wien 5 UB Nr. CXXVIII; Pohl-Resl, Rechnen 12.
243 Luntz, Beiträge 77–79.
244 Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek 55 Nr. XVI; FRA III/9 79 Nr. 12; Luntz, Entwicklung
22f.; ders., Beiträge 78f.; Ernst, Anfänge 45.
245 Rechte und Freiheiten 1, ed. Tomaschek 53 Nr. XVI; FRA III/9 77 Nr. 12; Luntz, Beiträge 79.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen