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54 III. Das Wiener Handwerksordnungsbuch
In Summe kann die Anlage des HWOB im Kontext einer umfassenden Reorganisa-
tion des Schriftguts der städtischen Verwaltung gesehen werden. Ab den 1420er Jahren
wurden Stadtbücher vielfältiger Art – Grundbücher, Satzbücher, Rechnungbücher – zum
Zweck eines besseren Überblicks neu strukturiert. Teilweise schlug sich die zentrale Neu-
ordnung des Schriftguts auch auf die Verwaltungsbücher einzelner Institutionen wie des
Wiener Bürgerspitals nieder, die ähnlich dem Vorbild der Stadtverwaltung begannen,
ihre Bestände zu ordnen und durch besser handhabbare Bücher eine effektivere Verwal-
tung zu gewährleisten. In der Stadtkanzlei selbst erlebte die Ordnungstätigkeit mit der
Amtszeit des Stadtschreibers Ulrich Hirssauer ihren Höhepunkt; dieser ließ im Jahr 1430
das HWOB anlegen und sorgte 1434 für die Umsetzung der bürgermeisterlichen An-
ordnung zur Abschrift diverser landesfürstlicher Urkunden in das EB. Mit großer Wahr-
scheinlichkeit zeichnet Hirssauer sowohl beim HWOB als auch bei der Gruppe der im
Jahr 1434 in das EB geschriebenen Texte für einen Großteil der Eintragungen selbst
verantwortlich299.
III.1.4. Praxis der Eintragung in das Handwerksordnungsbuch
Wie bereits angedeutet, hatte der Eintrag im Stadtbuch Beweiskraft. Die Bücher fun-
gierten somit als rechtssichernde Instanz und die Eintragung eines Textes ersetzte im
Laufe des Spätmittelalters mehr und mehr die Ausfertigung einer diese Rechtshandlung
beglaubigenden Originalurkunde300. Am Wiener Beispiel ist dies unter anderem an der
Überlieferung der Handwerksordnungen zu sehen: Nur ein geringer Teil der im 15. und
16. Jahrhundert erlassenen Ordnungen ist ebenso als ausgefertigte Originalurkunde er-
halten. In der Regel galt der Eintrag in T₁–T₃ bzw. ab 1430 in das HWOB als rechtset-
zend. Von diesem Eintrag konnten in weiterer Folge vom Stadtschreiber geschriebene
und mit dessen Signet bzw. mit dem Stadtsiegel beglaubigte Abschriften angefertigt wer-
den301.
Geht man vom Fall des HWOB aus, so lag die Initiative der Zusammenstellung einer
speziell Handwerksordnungen verzeichnenden Handschrift definitiv zunächst beim Rat
bzw. vielleicht bei Ulrich Hirssauer selbst, auf den wohl allgemein eine umfassende Ord-
nungstätigkeit in der städtischen Kanzlei zurückgeht. Doch schon vor 1430 – dem Jahr,
in dem das HWOB kompiliert wurde – sind Handwerksordnungen in städtische Bücher
eingetragen worden; diejenigen, die vom Rat ausgestellt wurden, finden sich teilweise in
den sogenannten Testamentenbüchern (T₁–T₃), landesfürstliche Handwerksordnungen
sind mitunter auch im Eisenbuch (EB) enthalten302. Durch die Praxis, Handwerksord-
nungen in den meisten Fällen nicht als Urkunden auszufertigen, sondern rechtssichernd
und rechtsetzend in eines der Stadtbücher – ab 1430 eben in das HWOB – einzutragen,
bemühten sich die Handwerker wohl zunehmend, die sie betreffenden Rechtstexte in
dieser Form festhalten zu lassen.
Nahezu alle Ordnungen, die vom Rat ausgestellt worden sind, weisen eine ähnliche
Narratio auf: Die Handwerker seien vor den Rat gekommen und hätten die Ausstellung
einer Ordnung betreffend mehrerer von ihnen vorgebrachter Punkte erbeten. Manchmal
299 Zu Hirssauers Hand im Grundstock und in den Nachträgen bis 1461 siehe unten S. 62–65.
300 Pitz, Schrift- und Aktenwesen 27f.
301 Zatschek, Konzepte 292. Zu diesen siehe auch weiter unten S. 56.
302 Siehe dazu auch unten S. 177.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen