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III.4. Schreiber und Schrift 67
der Ziegelmacher, der Leinwater, der Nadler, der Hühnereirer und der Lebzelter, alle im
Jahre 1516 innerhalb weniger Monate erlassen, stammen ebenfalls von ein- und derselben
Hand354. In allen hier genannten Fällen hat jeweils ein Schreiber offenbar zeitnahe zum
Erlass der Ordnungen den Text eingetragen. Die Sortierung der Texte nach Handwerks-
gruppen wurde zu diesem Zeitpunkt weitgehend aufgegeben; in den Jahrzehnten nach
1490 ist vor allem eine chronologische Anordnung der Ordnungen vorherrschend. Man
trug ganz einfach laufend die neuesten Ordnungen ein und nützte dabei die aufeinan-
derfolgenden Seiten. Nur mehr selten wurden jüngere Texte zu ihren älteren Vorgänger-
ordnungen geschrieben, wie es beispielsweise beim Zusatz zu der Leinweberordnung von
1555 der Fall ist355. Diese Vorgangsweise erklärt sich jedoch auch durch Platzmangel im
vorderen Teil der Handschrift: So war zum Beispiel nach der Schusterordnung von 1463
auf fol. 22r kein Platz mehr für einen jüngeren Text zu diesem Handwerk; auf fol. 22v
folgen bereits die Bestimmungen zu den Gürtlern.
Dass auch im 16. Jahrhundert in manchen Fällen die Handschrift systematisch durch-
geblättert wurde und Ergänzungen angebracht wurden, zeigt sich unter anderem an ei-
ner Hand, die bei zahlreichen Ordnungen fehlende Überschriften in einer tendenziell
dünnstrichigen Kurrent ergänzte. Sie ist sehr charakteristisch und hebt sich deswegen
deutlich vom ursprünglichen Anlagetext ab356.
Die zahlreichen im HWOB tätigen Schreiberhände unterstreichen nochmals den Ein-
druck, dass der Kodex eine eindeutige Gebrauchshandschrift war, die man stetig ergänzt
und aktualisiert hat. In vielen verschiedenen Arbeitsgängen, die sich mehrheitlich über
das 15. und das 16. Jahrhundert erstreckten, erhielt die Handschrift die äußere Form, in
der sie heute vorliegt.
354 HWOB fol. 198r–205v.
355 HWOB fol. 12r.
356 HWOB fol. 25v, 36v, 156r, 157r, 162r, 166r, 172r, 174r, 176r, 178r, 178v, 182r, 208v, 212v, 214r.
Die Hand war jedenfalls nach 1519 tätig, da dies das Jahr ist, in der die jüngste Ordnung erlassen wurde, zu
der sie eine Überschrift nachgetragen hat. Der Schreiber scheint dieser Tätigkeit wohl in einem Arbeitsgang
nachgegangen zu sein, seine Überschriften wirken sehr einheitlich, ein großer Unterschied in Feder oder Tinte
ist nicht feststellbar. Siehe Abb. 11.
Abb. 11: Beispiel für eine von einer Hand des 16. Jahrhunderts nachgetragene Überschrift, HWOB fol. 25v.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen