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IV.1. Lehrlinge 73
lich geringer als die der Gesellen404, lediglich bei den Hutmachern (1452)405 und den
Taschnern (1473)406 sind sowohl zwei Gesellen als auch zwei Lehrlinge erlaubt, bei den
Käufeln (1402) überhaupt kein Geselle, sondern nur ein Lehrling407. Daneben lassen sich
zwei Lehrlinge auch bei den Sporern (1444)408, den (Woll-)Webern und Tuchbereitern
(1467)409 und den Handschustern (1517)410 finden. Die Ausbildung von mehr als zwei
Lehrlingen war laut den im HWOB enthaltenen Ordnungen nicht gestattet.
IV.1.3. Lehrzeit und Entlohnung
Nach erfolgter Aufdingung diente der Lehrling bei seinem Meister eine gewisse Lehr-
zeit ab, deren Dauer je nach Handwerk unterschiedlich geregelt wurde. Die meisten im
HWOB enthaltenen Ordnungen, in denen diesbezüglich Regelungen getroffen werden,
geben drei Lehrjahre als Pflicht an411. Aber auch Ausreißer nach oben gibt es: Bei den
Messerern wird 1470 beispielsweise eine Lehrzeit von sieben Jahren vorgeschrieben412, die
Beutler verlangen 1530 vier Jahre413.
Über die Entlohnung der Lehrlinge ist in den Ordnungen des HWOB nichts zu er-
fahren, was wohl auch daran liegen könnte, dass im Mittelalter Ansprüche des Lehrlings
auf Lohn nicht unbedingt die Regel waren bzw. erst im Übereinkommen mit dem Meister
ausgezahlt wurden414. Aus der Ordnung der Steinmetze und Maurer von 1435 ist jedenfalls
zu erfahren, dass die Lehrlinge in der Kost des Meisters stehen, dass der Meister also für
Nahrung und Unterkunft aufkommt415. Fast wortgleich findet sich diese Bestimmung in
Gürtler (1454, Nr. 91 Art. 4); Bortenwirker (1469, Nr. 217 Art. 1; wenn der eine Lehrling im letzten Lehrjahr
steht, darf ein zweiter dazugenommen werden); Flaschenschmiede (1479, Nr. 300 Art. 2); Goldschläger (1481,
Nr. 153 Art. 3); Bogner (1481, Nr. 239a Art. 1); Kotzenmacher (1496, Nr. 313 Art. 10); Lebzelter (1516, Nr.
336 Art. 4; für Meister außerhalb Wiens); Ringmacher (1525, Nr. 349 Art. 4; im letzten Quatember vor Ende
des dritten Lehrjahres darf ein zweiter Lehrling neu aufgenommen werden); Tuch- und Kotzenmacher (1530,
Nr. 314 Art. 16); Gewandler (1550, Nr. 250).
404 Sehr oft werden drei Gesellen als Standardzahl angegeben, siehe dazu unten S. 97. Das zahlenmä-
ßige Übergewicht der Gesellen gegenüber den Lehrlingen bemerkt ebenso Schulz, Handwerksgesellen 254f.,
für Straßburg; auch hier ist in der Regel ein Lehrling pro Meister üblich, während die Gesellenzahl oft bei drei
bis vier lag. Handwerke, in denen vormals zwei Lehrlinge pro Meister erlaubt waren, nivellierten im Laufe des
15. Jhs. diese Zahl fast uneingeschränkt nach unten. Schulz nennt als einen der Gründe der Beschränkung der
Gesellen- und Lehrlingszahl die zunehmende Tendenz, zumindest in den Ordnungen gleiche Arbeitsbedingun-
gen für reichere und ärmere Meister herzustellen.
405 Siehe Nr. 125 Art. 1. Noch zehn Jahre zuvor war das erlaubte Verhältnis bei den Hutmachern drei
Gesellen zu zwei Lehrlingen (Nr. 124 Art. 1).
406 Siehe Nr. 93 Art. 6; Zatschek, Handwerk 167.
407 Siehe Nr. 79 Art. 1.
408 Siehe Nr. 245b Art. 10.
409 Siehe Nr. 298 Art. 9.
410 Siehe Nr. 343.
411 So die Ordnungen der Taschner (1473, Nr. 93 Art. 5), der Kotzenmacher (1496, Nr. 313 Art. 10),
der Lebzelter (1516, Nr. 336 Art. 4), der Tuch- und Kotzenmacher (1530, Nr. 314 Art. 16), der Kartenmacher
(1525, Nr. 348 Art. 3) und der Ringmacher (1525, Nr. 349 Art. 5).
412 Siehe Nr. 111 Art. 1. Die lange Lehrzeit erklärt auch die Festsetzung des Höchstalters des Lehrein-
tritts auf 14 Jahre, siehe oben S. 70f.
413 Siehe Nr. 143 Art. 3.
414 Zatschek, Handwerk 163; Mayer-Maly, Rechtsgeschichte 171.
415 Siehe Nr. 206 Art. 2; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 28. Etwa zeitgleich, nämlich
aus dem Jahr 1430, ist eine Urkunde (WStLA, H. A.-Urk. Nr. 2382) erhalten, in welcher der Schuster Niklas
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen