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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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78 IV. Inhaltliche Aspekte IV.2. Gesellen und Gesellenschaften IV.2.1. Die Etablierung des Gesellenwesens Die Unterscheidung zwischen Lehrlingen, Gesellen und Meistern lässt sich vereinzelt seit dem 13. Jahrhundert nachweisen, allerdings ist erst seit der Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert verstärkt eine Gruppe von Handwerkern wahrnehmbar, die zwischen Lehr- abschluss und Meisterschaft für eine kürzere oder längere Zeit als abhängige Beschäftigte bei einem Meister in Arbeit standen. Diese Bediensteten wurden anfangs knechte genannt, erst mit steigender Zahl und dem damit einhergehenden aufblühenden Selbstbewusstsein als eigenständige gesellschaftliche Gruppe bürgerte sich daneben ab dem 15. Jahrhun- dert auch der Ausdruck geselle als Bezeichnung ein, der sich ursprünglich auf die Meister als Zunftmitglieder bezogen hatte442. Die Arbeitsweise der Gesellen entsprach den An- forderungen der Zeit: Im 14. und 15. Jahrhundert stagnierten die Bevölkerungszahlen vieler Städte, weshalb das alte System, das auf langfristige Lehrverträge mit anschließen- der Meisterschaft aufgebaut hatte, nicht mehr funktionieren konnte. Außerdem förderte die zunehmende Spezialisierung und Differenzierung zahlreicher Gewerbe die Nachfrage nach mobileren Arbeitskräften443. Es wurde notwendig, den Arbeitsmarkt zu flexibilisie- ren, und hier war der wandernde Geselle, der fern der Heimatstadt lebte und manchmal sogar nur für wenige Wochen an einem Ort verweilte, die für diese gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ideale Arbeitskraft; er sorgte für eine gewisse Dy- namik in einem mehrheitlich exklusiv gehaltenen Zunftsystem einer Stadt444. Daneben unterstützte wohl auch der Umstand, dass dem Meister eine im Grunde nicht mehr in einem Ausbildungsverhältnis stehende, relativ billige Hilfskraft zur Verfügung stand, die Etablierung des Gesellentums in den städtischen handwerklichen Betrieben des späten Mittelalters. Das Verhältnis zwischen den Gesellen und den Zünften, für deren Meister sie arbeite- ten, ist vor allem im 14. Jahrhundert nicht immer eindeutig zu beschreiben, da für diese Zeit oftmals eine ausreichende Quellengrundlage fehlt445. Die multifunktionale Orga- nisationsform der Zunft bzw. Zeche446 ermöglichte den Gesellen zwar eine kurzfristige Integration in die städtische Gesellschaft und in das Recht des Handwerks, dies bedeutete jedoch keineswegs den Genuss aller rechtlichen Vorzüge eines Handwerksmeisters und sorgte gleichzeitig für ein starkes Kontrollverhältnis der Meister den Gesellen gegenüber. 442 Schulz, Handwerksgesellen 52f.; Kluge, Zünfte 166; vgl. zum Folgenden auch Gneiss, Wiener Handwerksordnungsbuch 411f., und ders., Gesellenordnungen 39–52. 443 Schulz, Handwerk 234. 444 Kluge, Zünfte 165–167. Zur frühen Gesellenwanderung vgl. allgemein auch Reininghaus, Mig- ration passim; zu den diesbezüglichen spätmittelalterlichen Entwicklungen im heutigen Niederösterreich siehe Jaritz, Gesellenwanderung passim. Neben seinem Schwerpunkt im 18. und 19. Jh. bietet Bade, Altes Hand- werk bes. 10f. und passim, einen kurzen Überblick über die Anfänge des Wanderns in der zweiten Hälfte des 14. Jhs. 445 Siehe dazu vor allem die quellenkritischen Bemerkungen von Reininghaus, Gesellengilden 24–28, der eine mangelnde Schriftlichkeit unter den Gesellen beklagt; erst wenn Uneinigkeit über die zuvor mündlich fixierten Normen herrschte, kam es zu einer Niederschrift der neu bestimmten Ordnungen. Weiters weist Rei- ninghaus auch zurecht darauf hin, dass vor allem aus dem 14. Jh. lediglich Quellen überliefert sind, die in der Umgebung der die Gesellenforderungen bekämpfenden Parteien entstanden sind. 446 Zur Problematik der oftmals regional bedingten unterschiedlichen Bezeichnungen für die Vereini- gungen von Handwerkern siehe oben S. 14–16; vgl. auch Kluge, Zünfte 24–29.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Title
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Subtitle
(1364–1555)
Author
Markus Gneiß
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
674
Keywords
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Categories
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