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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 85 der Arbeitsweise dieses Gewerbes zusammen: Üblicherweise schickten die Schneidermeis- ter ihre Gesellen auf Verlangen in die Häuser des Auftraggebers oder bekamen die Stoffe zur Bearbeitung direkt von den Kunden. Gerade die erste Variante war eine enorm per- sonalintensive Arbeitsweise, weswegen die Meister genügend Hilfskräfte brauchten, um bei entsprechender Auftragslage agieren zu können486. Von Problemen mit den Schnei- dergesellen erfährt man hingegen 1368 mehr. In diesem Jahr beklagen sich die Schneider- meister beim Rat der Stadt, dass sich zum einen fremde Schneider und Schneidergesellen – sogenannte Störer – in Wien niedergelassen hätten und das Gewerbe schädigen würden, zum anderen aber auch, dass die Gesellen der Wiener Schneidermeister unerlaubt in die Häuser von erber lèwt gehen und dort ihre Arbeit verrichten würden, also hinter dem Rücken ihrer Meister einem Nebenverdienst nachgingen; der Rat verbietet daraufhin die- ses Verhalten der Gesellen487. 1401 schafft der Rat auf Bitte der Schwertfegermeister die Gewohnheit der Gesellen ab, dass diese in seins maisters prat monatlich ein Schwert für den eigenen Nebenverdienst herstellen488. In all den bisher genannten Ordnungen treten die Gesellen als passiver Teil auf, der Rat wird erst auf Beschwerde der Meister hin aktiv, während die Gesellen sich weder verteidigen noch sonst in irgendeiner Form eine aktive Rolle einnehmen. Eine Organisation innerhalb der Gesellen ist in den bisher genannten Gewerben noch nicht erkennbar. Die älteste nachweisbare Gesellenschaft in Wien ist jedenfalls jene der Bäckergesellen (1411), die in einer nicht im HWOB überlieferten Urkunde489 erwähnt wird. Es ist zwar möglich, dass bereits im 14. Jahrhundert Wiener Gesellenorganisationen bestanden, je- doch sind solche quellenmäßig nicht fassbar490. Im Jahre 1412 beginnt eine Serie von im HWOB belegten Ordnungen, in denen sich die Meister über mehrere Missstände, ihre Gesellen betreffend, beschweren: In diesem Jahr wenden sich die Messerermeister an den Rat der Stadt, um Beschwerden gegen die unerlaubte Arbeitsniederlegung ihrer Gesellen vorzubringen491. Ab 1417 häufen sich diese Beschwerden merkbar, einmal mit mehr und einmal mit weniger deutlichen Hinweisen auf eine bereits existierende Gesellenschaft. So berichtet die Narratio einer Ordnung für die Nadlergesellen vom 14. August 1417 von der Be- schwerde der Handwerksmeister beim Rat über ettlich geprechen, den sy von irer knecht wegen hieten492. Konkret geht es den Nadlermeistern um den ihrer Meinung nach nicht zu akzeptierenden Umstand, dass viel zu viele ansässige Gesellen bei der Ankunft eines fremden Kollegen werktags den Arbeitsplatz verlassen und dem Neuankömmling schenk- chen. Zu diesem Ritual gehört es, den gerade erst zugewanderten Gesellen durch einen Umtrunk zu begrüßen und ihm bei der Arbeitssuche (Umschau) zu helfen493. In der oben erwähnten Ordnung wird die Zahl der Nadlergesellen, die an einem Werktag die Um- schau halten, auf zwei begrenzt. Der Umtrunk soll überhaupt erst am nächstfolgenden Feiertag stattfinden494. 486 Uhlirz, Gewerbe 713f. 487 Siehe Nr. 77 Narratio. Ausführlicher zu den Störern siehe unten S. 151f. 488 Siehe Nr. 127. Zum Eigenverdienst der Gesellen, dem Schoßwerk, siehe auch unten S. 86. 489 WStLA, H. A.-Urk. Nr. 1844; QGW II/1 Nr. 1844. 490 Uhlirz, Gewerbe 635; Zatschek, Handwerk 202. 491 Siehe Nr. 102. 492 Siehe Nr. 110; Opll, Zeitverständnis 43f. Anm. 34. 493 Hülber, Arbeitsnachweise 10–12; Reininghaus, Gesellengilden 152–161. 494 Siehe Nr. 110 Art. 1.
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Title
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Subtitle
(1364–1555)
Author
Markus Gneiß
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
674
Keywords
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
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