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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 93
„vereinigten Werkstätten“ von 1470 wieder551. In der Tischlerordnung von 1495 wird
unter anderem bestimmt, dass ein Geselle nachweisen soll, ob er von seinem alten Meister
ohne Streitigkeiten abgezogen ist552; außerdem soll ihm die ordnung zech und bruderschaft
– also die Ordnung des Handwerks – vorgelesen werden, der er zustimmen muss, um in
Wien bei einem Meister seiner Arbeit nachgehen zu können553.
In einer im Jahre 1519 bestätigten Ordnung der Handschuster von 1518554 kommt
den Altgesellen – also den Vorstehern der Gesellenschaft – die Rolle zu, einen neuan-
kommenden Gesellen beim gemeinsamen Verzehr von Brot, Wein und Käse über seine
Herkunft und Ausbildung zu befragen und daraufhin zu beurteilen, ob er für die Arbeit
in Wien geeignet ist555. Die Ordnung der Tuch- und Kotzenmacher von 1530556 geht be-
sonders detailliert auf die Aufnahmebedingungen eines gerade angekommenen Gesellen
ein: Item wann ain gesell diss hanndwerchs herkhumbt, der vormals hie nit gearbait hat, den
haben erstlich die zechlewt zu fragen, wo er das hanndwerch gelernt, ob er desselben redlich
und von wann er sey557. Näheres über die Herkunft des Gesellen und dessen Ausbildung
zu erfahren, dürfte also auch hier notwendig gewesen sein, um eine weitere Arbeit in der
Stadt zu erlauben. Außerdem sollte der Geselle unverheiratet sein, außer er kann nach-
weisen, dass seine Ehefrau mit der Wanderschaft und der Arbeit in einer fremden Stadt
einverstanden sei558.
Die Bestimmung, dass ein neu angekommener Geselle nicht verheiratet sein durfte,
um eine Arbeitsstelle in der Stadt zu finden, ist schon bei den Fleischhauern im Jahre
1411559 nachweisbar. Bei den Messerern findet sich 1454 die Bestimmung, dass ein Ge-
selle zwar heiraten dürfe, jedoch zuvor das hantwerch beweise, damit er auch für den Un-
terhalt einer möglichen Familie aufkommen könne. Wahrscheinlich bezieht sich dieser
Artikel jedoch nicht auf die Aufnahme eines Gesellen bei einem Meister, sondern viel-
mehr auf das Ende der Gesellenzeit, also auf den Nachweis der Meisterschaft560. In der
bereits oben genannten Messererordnung von 1470 wird dem Gesellen ein stete[r] anhang
oder ain freye tochter verboten561. Generell galt also die ledige Stellung des Gesellen als
eines der Hauptmerkmale dieser Berufsgruppe, welches auch bis in die Frühe Neuzeit
Gültigkeit hatte. Verheiratete Gesellen waren in zahlreichen Gewerben nicht unbedingt
gerne gesehen, waren sie doch unflexibler als ihre ledigen Kollegen, da sie nur schwer an
der Wanderschaft teilnehmen konnten. Da Gesellen außerdem in der Regel im Haushalt
ihrer Meister wohnten, bedeutete eine weitere Familie wohl eine zusätzliche Belastung.
Besonders im 16. Jahrhundert verschärften sich in vielen deutschen Städten die Maßnah-
551 Siehe Nr. 111 Art. 16. Der Begriff der „vereinigten Werkstätten“ ist in der Forschung für den Zu-
sammenschluss der Messerer von Wien, Steyr, St. Pölten, Waidhofen/Ybbs, Wels und Krems eingeführt worden.
In Wien befand sich wohl die Hauptlade, während in den anderen Städten die Viertelladen errichtet wurden.
Siehe dazu zuletzt Schulz, Eisengewerbe Steyr 319.
552 Siehe Nr. 316 Art. 2; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 49.
553 Siehe Nr. 316 Art. 3.
554 Siehe Nr. 345.
555 Siehe Nr. 345 Art. 2.
556 Siehe Nr. 314.
557 Siehe Nr. 314 Art. 5.
558 Siehe Nr. 314 Art. 3.
559 Siehe Nr. 199 Art. 4; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 49.
560 Siehe Nr. 98 Art. 1. Vor allem die Formulierung, dass der Geselle seine Fähigkeiten nachweisen
müsse, um zu erkennen, ob er dem hantwerch mùg vor sein, weist in Richtung eines Meisterschaftsnachweises.
561 Siehe Nr. 111 Art. 15.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen