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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 99
Bei der Entlohnung der Gesellen kann prinzipiell zwischen drei verschiedenen Vari-
anten unterschieden werden: Stücklohn, Zeitlohn und Beteiligung am Gewinn der Werk-
statt622. Oftmals müssen jedoch Kost und Logis ebenso mitbedacht werden, wenn man
auf den vollen Lohnumfang der Gesellen zu sprechen kommen soll623. Der Stücklohn
findet sich im 15. Jahrhundert nur vereinzelt in den Ordnungen des HWOB. Vergleichs-
weise früh dürfte er bei den Schlossern üblich gewesen sein, doch wird er im Jahr 1444
verboten: Die Meister sollen ihre Gesellen nur mehr in der Form des Wochenlohns ent-
lohnen, jedoch kann die Höhe des Lohns auch vom Können des Bediensteten abhängig
sein624. Bei den Hafnern wird 1489 die Zahlung von 24 Pfennigen für das Setzen eines
Ofens festgelegt, gleichzeitig erfolgt aber wiederum eine Abstufung nach Fähigkeit des
Gesellen; für das Ersetzen einer Kachel eines Ofens gibt es einen Pfennig625. Der vom
Meister gereichte Wein kann durch 18 Pfennige ersetzt werden, sollte der Geselle ihn
nicht trinken wollen oder er für den Meister im Einkauf zu teuer sein626. Bei den Kotzen-
machern ist der Stücklohn im Jahre 1496 offenbar ebenfalls üblich627.
Die am häufigsten in den Ordnungen des HWOB erwähnte Lohnform ist der Zeit-
lohn. Wie bereits oben erwähnt, gingen die Schlosser 1444 von Stück- auf Wochenlohn
über. Hollnsteiner nimmt an, dass der Stücklohn eine nicht zu unterschätzende Quelle
für Gesellenunruhen darstellte, mussten die Bediensteten doch von einem eher unregel-
mäßigen Einkommen leben, da sich dieses nach der Auftragslage der Werkstatt richtete.
Es ist deswegen nicht unbedingt überraschend, wenn der Wiener Rat bemüht war, den
Zeitlohn gegenüber dem Stücklohn weitgehend durchzusetzen628.
Bei den Maurern und Zimmerleuten ist bereits 1412 der Zeitlohn üblich, jedoch wird
hier noch nicht zwischen Meistern und Gesellen unterschieden: Vom 22. Februar bis 16.
Oktober sollen als Taglohn ohne Kost (derr) 20 Pfennige und mit Kost zwölf Pfennige
bezahlt werden, vom 16. Oktober bis 22. Februar erhalten die Handwerker 14 Pfennige
ohne und acht Pfennige mit Kost629. Die gerade im Maurerhandwerk nicht unbedeu-
tende Unterscheidung zwischen Sommerlöhnen und Winterlöhnen kann also in dieser
Ordnung gut nachvollzogen werden630. Bei den Messerern taucht 1439 erstmals die Zah-
Handwerker an, bei den Konstanzer Bauarbeitern geht er von täglich 14 Bruttoarbeitsstunden im Sommer (hier
22. März bis 16. Oktober) aus, abzüglich der Pausen ergeben sich elf Stunden. Bei den Nürnberger Maurern
rechnet er mit maximal 16 Stunden im Juni und minimal acht Stunden im Dezember. Vgl. dazu auch Bräuer,
Herren 82f.; Reith, Lohn 327f.; ders., Arbeitszeit 47f.; Gruber, Raittung 73.
622 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 64; Reith, Arbeit 226.
623 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 71f.
624 Siehe Nr. 107; Uhlirz, Gewerbe 655, 661; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 65;
Reith, Arbeit 226.
625 Siehe Nr. 309 Art. 14, 15.
626 Siehe Nr. 309 Art. 23.
627 Siehe Nr. 313 Art. 3; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 65; Reith, Arbeit 226.
628 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 66; andererseits verringerte sich durch den Stück-
lohn das hohe Konfliktpotential in Bezug auf die Arbeitszeit, vgl. Reith, Arbeitszeit 59–62.
629 Siehe Nr. 204; vgl. dazu Zatschek, Handwerk 192f., der auch auf die weitere, nicht mehr im
HWOB überlieferte Entwicklung der Löhne bei den Maurern eingeht. Bis zur Mitte des 16. Jhs. verdoppelte
sich hier die Lohnhöhe.
630 Der höhere Sommerlohn begründet sich zum einen aus der erhöhten Auftragslage in dieser Jah-
reszeit und zum anderen aus der höheren täglichen Arbeitsstundenanzahl, da durch die maximale Ausnutzung
des Tageslichts mehr Arbeitszeit zur Verfügung stand, siehe Reith, Lohn 103f.; vgl. dazu auch Pribram, Ma-
terialien 177–185, 344–350, wo die Lohnausgaben des Wiener Bürgerspitals für Maurer, Zimmerleute und
Ziegeldecker zwischen 1440 und 1770 aufgezählt werden. Auch hier wird zwischen höheren Sommer- und
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen