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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 113
ben Pfund Wachs738. Diese Strafzahlungen weisen ebenso auf eine liturgische Verwendung
hin, da das Wachs für Kerzen gebraucht wurde.
IV.2.5.5. Die Fronleichnamsprozession
Die Fronleichnamsprozession war ein zentraler Punkt des religiösen Lebens der Ze-
chen und der Stadtbevölkerung überhaupt739. Das Fronleichnamsfest wird jedes Jahr am
Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag gefeiert und hat seinen Ursprung im Jahr
1246 in Lüttich740.
In Wien sind feierliche Fronleichnamsprozessionen zumindest ab 1334741 nachweis-
bar, 1363 ordnete Rudolf IV. schließlich eine öffentliche Prozession in der Stadt an742.
Zum einen dienten diese Umzüge der Repräsentation von Herrschaft und der bürgerli-
chen Öffentlichkeit, andererseits wurden sie durch das gleichzeitige Abhalten von Fron-
leichnamsspielen für die breite städtische Bevölkerung zu einem zentralen Ereignis im
Kirchenjahr743. Auch für die Handwerkszechen war der Umzug zu Fronleichnam ein zen-
traler Punkt im Jahresablauf. In der autonomen, stark religiös durchdrungenen Ordnung
der Wiener Goldschmiede von 1367 taucht die Fronleichnamsprozession jedoch noch
nicht auf744.
Der erste Hinweis auf die Teilnahme der Handwerkszechen an der Prozession findet
sich in der Wiener Schneidergesellenordnung von 1442745. 1445 wird in einer Kürschner-
gesellenordnung die Art und Weise des Umgangs schon ein wenig konkretisiert: Die alten
738 Hufschmiedegesellen (1532, Nr. 352a Art. 5 und 6).
739 Opll, Leben 1 130f.
740 Zur Entstehungsgeschichte des Festes vgl. Löther, Prozessionen 55–63; Scheutz, Kaiser und
Fleischhackerknecht 66f.; Goda, Metamorphoses 10f.
741 In diesem Jahr stiftete der Pfarrer von St. Stephan, Heinrich von Luzern, einen Fronleichnamsaltar
in der Stephanskirche und legte fest, dass jedes Jahr zu Fronleichnam eine Messe abgehalten und eine Prozession
innerhalb des Kirchenraums stattfinden sollte, vgl. Grass, Studien 71f.; Zapke, Jubiläum 35; Goda, Metamor-
phoses 17; Zapke, Inszenierung 92.
742 Die Bestimmung ist Teil einer umfangreichen Gottesdienstordnung für St. Stephan, DAW, Urkun-
den 1363 III 28: Denn daz man an Gotzleichnamstag, so sol man allez daz heiltům, daz da ist, und alle die vann,
die da sind, und alle hymel und dreizzig kertzen und zehen wintliecht umbtragen in der stat, und dartzů sullen
komen alle pharrer, alle klòster und alle kapplan und alle phaffen mitsampt den Teutschenherren, sand Johansern,
Heiliggeistern und spitalern in der stat und in den vorstetten mit aller irr schònester gezierd, die si habent, ouch
gen sand Stephan gen und mit der egen(annten) process umbgen in aller der mazz, als vor bescheiden ist. Vgl. auch
Zapke, Jubiläum 35; Goda, Metamorphoses 19; Zapke, Inszenierung 92f.
743 Scheutz, Kaiser und Fleischhackerknecht 80. Dass die Prozessionen als Ausdruck der hierarchi-
schen Abstufung der städtischen Bevölkerung gesehen werden können, hebt auch Opll, Leben 1 131, hervor.
Siehe zur Stellung des Fronleichnamsfestes unter den Wiener Feiertagen auch ders., Heiligenfest 140. In ei-
ner heute in der ÖNB (Cod. 4712) aufbewahrten Handschrift aus der zweiten Hälfte des 14. Jhs. – einem
Ordinarium-Breviarium nach dem Passauer Ritus – ist auf fol. 109r ein von der eintragenden Hand her in das
zweite Drittel des 15. Jhs. zu datierender Nachtrag zu finden, in der die Reihenfolge der Teilnehmer an der
Fronleichnamsprozession festgelegt wird, vgl. Zapke, Jubiläum 33–35 (mit fehlerhafter Transkription); dies.,
Inszenierung 90f., 100f. (mit verbesserter Transkription); zusammenfassend auch: Goda, Metamorphoses 23.
744 Siehe zu dieser oben S. 27f., unten S. 135.
745 Siehe Nr. 82 Art. 6. Auch in der im zweiten Drittel des 15. Jhs. niedergeschriebenen Prozessi-
onsordnung, die in Cod. 4712 der ÖNB enthalten ist, scheinen die Zechen auf; diese sollen die Prozession
kerzentragend nach ihrer Ordnung anführen: Primo procedant czeche cum candelis suis secundum ordinem suum.
Interessanterweise kommen die Zechen in der Gottesdienstordnung von St. Stephan, in der die öffentliche
Fronleichnamsprozession vorgeschrieben wird, mit keinem Wort vor, vgl. oben Anm. 742; Zapke, Inszenierung
95 (hier auch im Vergleich zu anderen die Fronleichnamsprozession erwähnenden Urkunden).
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen