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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 119
ein Helbling sein dürfen, oder dass höchstens 14 Spiele zu je einem Groschen gespielt
werden sollen775. Bei den Kürschnergesellen werden zwar im Jahr 1445 Würfelspiele gene-
rell untersagt, jedoch Brettspiele und Spiele erlaubt, die dem heutigen Boule bzw. Boccia
geähnelt haben dürften776. Auch zeitliche Begrenzungen scheinen nicht unüblich gewesen
zu sein. So ist den Hufschmiedegesellen das Glücksspiel nur ab Weihnachten 14 Tage lang
erlaubt und auch da lediglich um Einsätze in der Höhe ihres Trinkgeldes777.
Grundsätzlich ging es bei diesen Beschränkungen wohl darum, die Gefahr abzuwen-
den, dass sich die Gesellen in übermäßig hohe Spielschulden stürzten und diese nicht
abbezahlen konnten778. Das Spielen an sich wurde jedoch – soweit sich dies aus dem vor-
handenen Material erkennen lässt – geduldet, manchmal mit Einschränkungen, immer
wieder auch mit zeitlichen Begrenzungen779. Unbezahlte Schulden werden in den Ord-
nungen jedenfalls öfters in anderen Kontexten erwähnt und dürften wahrscheinlich kein
zu unterschätzendes Problem gewesen sein. Häufig ist dabei von Wirtshausschulden die
Rede, wie beispielsweise in der Schneidergesellenordnung von 1442780. Die Limitierung
des Glücksspiels zeigt jedoch auch den Drang der Gesellen nach einer gemeinsamen Frei-
zeitgestaltung und nach gemeinschaftlichen Aktivitäten, die in den Augen der Obrigkeit
und der Handwerksmeister jedoch reguliert werden mussten.
IV.2.6.4. Wachtdienst und sonstige Sicherheitsaufgaben
Zünfte und Gesellenschaften hatten in der Regel auch militärische Aufgaben inne, die
zum Schutz der Stadt dienten, wie am Beispiel des spätmittelalterlichen Straßburg gezeigt
wurde781. Auch Wien bildet in diesem Zusammenhang keine Ausnahme. Von der Auf-
gebotsordnung des Jahres 1405 war bereits die Rede782. 1418 ist von aus dem Gefängnis
entlassenen Weißgerbergesellen zu hören, für die ihre Meister bei ihrer Freilassung den
Eid schwören mussten, dass sie der Stadt die an waygrung und an vertziehen all miteinan-
der hinwider antwurten und stellen an gevèr783.
Ab den 1450er Jahren häufen sich schließlich die Bestimmungen, Meister – die als
Wiener Bürger dazu verpflichtet waren784 – und Gesellen mögen zum Schutz der Stadt
ihren Dienst verrichten, wenn sie dazu aufgefordert werden sollten. So legt der Rat 1453
für die Schustergesellen fest, dass diese bei Neuaufnahme in das Rathaus kommen sol-
775 Siehe Nr. 82 Art. 8; Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 105.
776 Siehe Nr. 252 Art. 7; Zatschek, Handwerk 208.
777 Siehe Nr. 352b Art. 3; vgl. auch Beispiele für zeitliche Beschränkungen außerhalb Wiens: Müller,
Arbeitsverbote 76; Pauser, Spiel Zwettl 88f.
778 Hollnsteiner, Lehrlings- und Gesellenwesen 106.
779 Diese Beobachtung deckt sich mit der Auswertung Josef Pausers in Bezug auf die Städte Krems
(15./16. Jh.) und Zwettl (16. Jh); auch hier wurde das Spielen an sich nicht verfolgt, sehr wohl wurde aber von
der städtischen Obrigkeit dem Falschspiel nachgegangen. Im Laufe des 16. Jhs. kam es zu einer vermehrten
Rezeption der in den landesfürstlichen Policeyordnungen enthaltenen Spielbeschränkungen, wenngleich diese
erst im 17. Jh. in größerem Ausmaß in den Ratsprotokollen zu finden sind; vgl. Pauser, Leichtfertige spill 22;
ders., Spiel Zwettl 100f.; allgemein auch: ders., Lust passim.
780 Siehe Nr. 82 Art. 10.
781 Von Heusinger, Antwerk 52–55; dies., Zunft 102–113, 160–163; Gloor, Politisches Handeln
234f.
782 Siehe oben S. 31.
783 Siehe Nr. 176, und oben S. 87.
784 Zur Wach- und Wehrpflicht der Bürger allgemein Isenmann, Stadt 146; siehe auch speziell auf
Wien bezogen rezent: Enderlin, Sicherheit 237.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen