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Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)
Page - 123 -
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Page - 123 - in Das Wiener Handwerksordnungsbuch - (1364–1555)

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IV.2. Gesellen und Gesellenschaften 123 genau festgelegte Vergehen eingezahlt wurden, die sich zum anderen aber auch um alle mit den Zuständigkeiten der Gesellenschaft in Verbindung stehenden Aktivitäten küm- merten. Sie wurden – soweit die im HWOB überlieferten Ordnungen darüber Aufschluss geben – in der Regel durch die Gesellen selbst gewählt, nur selten (wie bei den Tuch- und Kotzenmachern) waren auch die Meister an der Wahl beteiligt. Dass die Gesellenschaften jedoch in zahlreichen Fällen nicht komplett unabhängig von der Meisterzeche waren, ist beispielsweise bei den Schneidern, Kürschnern oder Schustern zu sehen, bei denen neben den üblichen vier puchsengesellen auch zwei Handwerksmeister die Verwaltung der zent- ralen Kassa überwachten. Teilweise kam es auch vor, dass Gesellen und Meister explizit in einer gemeinsamen Organisation vereint waren, wie es zum Beispiel bei den Tuch- und Kotzenmachern im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts der Fall gewesen zu sein scheint. Auch bei den Tischlern – deren Zeche um 1500 in die Wiener Fronleichnamsbruder- schaft zu St. Stephan inkorporiert wurde – dürften die Gesellen ab diesem Zeitpunkt wenig Spielraum für eine eigenständige bruderschaftliche Organisation gehabt haben. Die Wiener Gesellenschaften unterschieden sich in ihren Funktionen kaum von an- deren Gesellenvereinigungen im deutschsprachigen Raum. Sie bildeten für einen Stadt- fremden, der ein neu ankommender Geselle ja in der Regel war, eine gewisse soziale und spirituelle Absicherung. Die Gesellenschaften kümmerten sich im Krankheitsfall um eine zeitlich befristete finanzielle Versorgung des betroffenen Mitglieds. Die in den Ordnun- gen des HWOB fast durchgehend auftretende Unterstützungsform war hierbei das Dar- lehen, die Leihe einer gewissen Geldsumme an den kranken Gesellen; das Geld dafür wurde aus der Gesellenbüchse vorgestreckt und musste meist innerhalb einer gewissen Frist zurückbezahlt werden. Gerade ein Krankheitsfall dürfte zu gröberen finanziellen Einbußen der Gesellen geführt haben, da es mitunter vorgekommen zu sein scheint, dass die Meister für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit des Bediensteten keinen Lohn zahlten und sich auch weigerten, den Kranken zu pflegen. Starb ein Mitglied der Gesellenschaft, so sorgte diese für ein Begräbnis. Die Kosten dafür wurden der Norm gemäß offenbar meist aus dem Nachlass des Gesellen beglichen, doch scheint es durchaus üblich gewesen zu sein, dass eine Bestattung auf jeden Fall von der Gesellenschaft organisiert wurde, auch wenn die Verlassenschaft des Toten nicht zur Kostendeckung reichte. Neben dem Recht auf ein ordnungsgemäßes Begräbnis geben zahlreiche Ordnungen auch einen Hinweis darauf, dass die Gesellenschaften sich allgemein um die Memoria ihrer toten Mitglieder kümmerten – egal ob diese in Wien oder, sofern dies in Erfahrung gebracht werden konnte, in einer anderen Stadt verstorben waren. Überhaupt waren die gemeinsamen Messfeiern der Mitglieder einer Gesellenschaft zentrale Ereignisse im Jah- resablauf, ein Fernbleiben von diesen Anlässen wurde mit hohen Bußzahlungen belegt. Neben der heiligen Maria, deren Verehrung des Öfteren in den Ordnungen erwähnt wird, hatten einzelne Gesellenschaften spezielle Heilige, zu deren Ehren sie Messen feierten. So war beispielsweise der heilige Eligius Patron der Hufschmiedegesellen oder die heilige Barbara Patronin der Nadlergesellen. Neben diesen regelmäßigen Messfeiern stand vor allem die Teilnahme der Handwerker – sowohl der Meister als auch der Gesellen – an der jährlichen Fronleichnamsprozession im Mittelpunkt der religiösen Anliegen der Zechen und Gesellenschaften. Eine dem Papierbuchblock des HWOB nachgebundene Fronleich- namsprozessionsordnung von 1463 unterstreicht nochmals die Wichtigkeit dieses Festes in Bezug auf die Wiener Handwerker. Die zum einen Teil religiös, zum anderen Teil sicher auch repräsentativ begründete Teilnahme an der Prozession war jedoch nicht der einzige Anlass, bei dem die Zechen und
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Das Wiener Handwerksordnungsbuch (1364–1555)
Title
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
Subtitle
(1364–1555)
Author
Markus Gneiß
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2017
Language
German
License
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-20418-3
Size
17.3 x 24.5 cm
Pages
674
Keywords
Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
Categories
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