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IV. 3. Meister 129
über die Voraussetzungen für Meisterschaftsanwärter findet sich jedoch nichts von dieser
Forderung842. Erstmals taucht der Nachweis der ehelichen Geburt in der Ordnung der
Beutler, der Handschuster, der Fellfärber und der Nestler von 1459 auf843. Gerade diese
Erweiterung der Voraussetzungen steht für eine noch deutlichere Verschärfung der Be-
stimmungen, kamen somit sowohl uneheliche als auch vor der Hochzeit gezeugte Kinder
für die Meisterschaft nicht in Frage844. In nahezu jeder Ordnung, die nach 1459 erlassen
worden ist und Regelungen zur Aufnahme neuer Meister in das Handwerk enthält, lässt
sich die Forderung nach dem Nachweis der ehelichen Geburt finden845.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die seit den 1360er Jahren in den
Ordnungen enthaltenen Aufnahmevoraussetzungen für die Meisterschaftsanwärter – also
Herkunfts- und Leumundsnachweis, Verheiratung und der Erwerb des Bürgerrechts –
zunächst im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts mit der Forderung nach der Einzahlung
und dem Beitritt in die Zeche sowie mit dem Nachweis des Ausdienens der Lehrjahre,
dann ab 1459 auch mit dem Nachweis der ehelichen Geburt erweitert wurden.
IV.3.1.3. Nachweis der Fertigkeiten, Meisterstücke, Meistermahl
Auf eine seit den 1360er Jahren in den Ordnungen des HWOB zu findende Vor-
aussetzung wurde noch nicht näher eingegangen, nämlich auf den Befähigungsnachweis.
Schon in der Zaumstrickerordnung von 1364 ist davon die Rede: Dieselben zwen maister
sullen auch die versùhen, die sich ze maister setzen wellen, ob sy maister mùgen gesein oder
nicht846. Mit den in diesem Artikel angesprochenen Meistern sind die zwei Beschaumeis-
ter gemeint, deren Wahl unmittelbar vorher im Text geregelt wird847. Die Forderung nach
dem Nachweis der handwerklichen Fertigkeit durch den Meisterschaftsanwärter taucht in
nahezu jeder im HWOB enthaltenen Ordnung auf. Die Agenden dieser Prüfung lagen
wohl meist bei den Beschaumeistern des jeweiligen Handwerks, manchmal auch bei den
Zechmeistern oder bei den Trägern beider Zechämter848. Wie genau dieser in den Texten
sehr allgemein gehaltene Befähigungsnachweis aussah, kann nicht mit letzter Sicherheit
gesagt werden. Vielleicht wurde ein durch den neu angekommenen Meister schon zuvor
angefertigtes Stück geprüft oder der Nachweis schloss bereits extra für diesen Anlass her-
gestellte Werkstücke mit ein849.
842 Siehe Nr. 88 Narratio und Art. 1.
843 Siehe Nr. 142 Art. 1; Uhlirz, Gewerbe 623; Zatschek, Handwerk 213; ders., Handwerksordnun-
gen 37.
844 Zatschek, Handwerksordnungen 37.
845 So bei den Badern (1463, Nr. 211 Art. 1), den Krämern (1463, Nr. 293 Art. 1), den Tuchbereitern
und den (Woll-)Webern (1467, Nr. 298 Art. 1), den Plattnern (1469, Nr. 132 Art. 1; 1479, Nr. 133 Art.
1), den Kammmachern (1472, Nr. 96 Art. 1), den Taschnern (1473, Nr. 93 Art. 1), den Schustern (1495,
Nr. 311 Art. 2), den Kotzenmachern (1496, Nr. 313 Art. 1), den Lebzeltern (1516, Nr. 336 Art. 6) und den
Ringmachern (1525, Nr. 349 Art. 1). Bei der für die Tischler im Jahr 1504 erlassenen Ordnung (Nr. 243 Art.
1) fehlt diese Voraussetzung, dafür taucht hier als zusätzliche Erschwernis die Forderung nach der Verheiratung
innerhalb eines Jahres nach Arbeitsantritt in Wien auf. In der Ordnung der Barchent- und Leinweber von 1480
(Nr. 71 Art. 1) ist davon die Rede, dass der neue Meister beweisen müsse, wie er mit gepùrd herkomen sey; wahr-
scheinlich ist damit sowohl die Herkunft als auch die eheliche Geburt gemeint.
846 Siehe Nr. 115 Art. 3; vgl. dazu Zatschek, Handwerk 215; ders., Handwerksordnungen 10f.
847 Siehe Nr. 115 Art. 2. Zu den Beschaumeistern vgl. ausführlich unten S. 136–138.
848 Zur Frage der Abgrenzung der Funktionen der Zech- und Beschaumeister siehe unten S. 138–140.
849 Zatschek, Handwerk 215. Auch Petraschek-Heim, Meisterstückbücher 163, sieht in diesen all-
gemein gehaltenen Formularteilen nicht unbedingt den Nachweis der Anfertigung von Meisterstücken.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen