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130 IV. Inhaltliche Aspekte
Im Jahr 1410 enthält die Ordnung der Schilter, der geistlichen Maler, der Glaser und
der Goldschläger erstmals eine genaue Umschreibung der vom neuen Meister geforderten
Stücke für jedes dieser Handwerke850. Diese sogenannten Meisterstücke851 bildeten ohne
Zweifel eine zu all den anderen bereits genannten Voraussetzungen hinzutretende erhebli-
che Erhöhung der Hürde zur Erwerbung des Meisterrechts, noch dazu da die diesbezügli-
chen Bestimmungen mitunter deutlich detaillierter und umfangreicher wurden852. Neben
der bereits erwähnten Ordnung der Schilter, der geistlichen Maler, der Glaser und der
Goldschläger von 1410 sind mehr oder weniger genau umschriebene Meisterstücke auch
in den Ordnungen der Messerer (1428)853, der Bogner (1438, Bestätigung von 1481)854,
der Käufel (1444)855, der Tischler (1445, 1504)856, abermals der Maler, der Schilter, der
Glaser, der Goldschläger, der Seidensticker und der Aufdrucker (1446)857, der Drechsler,
der Holzschuster und der Schüssler (1451)858, der Kummetmacher (1451)859, der Haar-
sieber (1454)860, der Fellfärber und Nestler (1459)861, der Plattner (1469, 1479)862, der
850 Siehe Nr. 151; vgl. Uhlirz, Gewerbe 624 (irrig zu 1400); Zatschek, Handwerk 215.
851 Nur selten werden diese Werkarbeiten in den Ordnungen des HWOB dezidiert als „Meisterstücke“
(maisterstukh) bezeichnet, so lediglich in der Kammmacher- und Bürstenbinderordnung von 1472 (Nr. 96 Art.
3), in der Taschnerordnung von 1473 (Nr. 93 Art. 3), in der Tischlerordnung von 1504 (Nr. 243 Art. 4) und
in der Ringmacherordnung von 1525 (Nr. 349 Art. 3). Zur zunehmenden Durchsetzung der Meisterstücke
allgemein siehe Wissell, Recht 2 2–11; Kluge, Zünfte 236–238. Eine detaillierte Untersuchung zu den 1545
entstandenen und noch erhaltenen Meisterstückbüchern der Schneider von Innsbruck liegt von Petraschek-
Heim, Meisterstückbücher, vor; ebd. 208, zur langen Gültigkeitsdauer von über 200 Jahren – von 1545 bis
1777 – der bis ins letzte Detail vorgeschriebenen Schneiderwerkstücke und ebd. 213–218, für eine Edition der
Verordnungen. Für Wien findet sich in der Neuzeit eine umfangreiche Auflistung der Meisterstücke aller in der
Stadt ansässigen Handwerke, und zwar in einer Handschrift aus dem Jahr 1620, siehe dazu WStLA, Sammlun-
gen, Handschriften, A 287; vgl. dazu auch unten S. 132 Anm. 879.
852 Vgl. dazu unter anderem eine nicht im HWOB überlieferte und (laut Uhlirz, siehe unten) ebenso
nicht mehr im Original erhaltene Ordnung der Gürtler aus dem Jahre 1500, in der ganze elf Artikel von den
Meisterstücken handeln, siehe für einen Auszug Uhlirz, Urkunden 2 Nr. 15.568 (nach einer „moderne[n]
Abschrift“), und vgl. weiters dazu ders., Gewerbe 625. Die Meisterstückbücher der Innsbrucker Schneider
legen die einzelnen herzustellenden Kleidungsstücke bis auf die zu verwendenden Materialien und die Länge
bzw. Breite fest, siehe dazu Petraschek-Heim, Meisterstückbücher bes. 169–171.
853 Siehe Nr. 103 Art. 1.
854 Siehe Nr. 239a Art. 1.
855 Siehe Nr. 247 Art. 2.
856 Siehe Nr. 242 Art. 3; 243 Art. 4. Während 1445 noch drei Meisterstücke verlangt werden, nämlich
ursprünglich ein Spielbrett, ein zusammengelegter Tisch mit Leisten und ein zwölfeckiger Tisch mit Einlegear-
beiten, dann – wahrscheinlich noch von gleicher Hand am Rand der Seite ergänzt und als Ersetzung der älteren
Stücke gedacht – eine doppelbödige Kiste mit Laden, ein Schreibtisch mit Drudenfuß und ein zusammengeleg-
ter, also wohl zusammenklappbarer Tisch, schreibt die Ordnung von 1504 nur mehr zwei Werkstücke vor, und
zwar einen Gewandkasten und einen Schreibtisch. Im jüngeren Text werden dafür die Materialvorgaben und
das äußerliche Erscheinungsbild der Meisterstücke genau festgelegt. Vgl. dazu auch Kühnel, Alltagsleben 45;
Windisch-Graetz, Tischlerhandwerk 322; Jaritz, Produktion 46f.; Opll, Leben 1 133; ders., Leben 2 476;
Kirchweger, Kunsthandwerk 573.
857 Siehe Nr. 150 Art. 1. Hier verbleiben die Meisterstücke bei der St. Lukas-Zeche, außer sie werden
durch den Hersteller mit einer Geldzahlung abgelöst.
858 Siehe Nr. 259 Art. 8. Den Schüsslern wird in dieser Ordnung allerdings kein Meisterstück vorge-
schrieben.
859 Siehe Nr. 258 Art. 4.
860 Siehe Nr. 276 Art. 3.
861 Siehe Nr. 142 Art. 6.
862 Siehe Nr. 132 Art. 2; 133 Art. 2.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen