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142 IV. Inhaltliche Aspekte
Möglichkeit zu geben, sich mit genügend Werkzeug und ähnlichen für die Ausübung des
Handwerks notwendigen Materialien zu versorgen997. Die Wirkung dieser Maßnahmen
darf jedoch auf keinen Fall überschätzt werden, dafür war die finanzielle und wirtschaftli-
che Ungleichheit zwischen den einzelnen Zechmitgliedern in vielen Fällen zu groß998. Im
Jahr 1547 beschweren sich zum Beispiel die Öler beim Stadtrat, dass die reicheren Öler-
meister den ärmeren das gesamte Unschlitt wegkaufen und für die weniger vermögenden
Öler somit kein Unschlitt mehr übrig bleibt999. Die Einrichtung des gemeinschaftlichen
Einkaufs innerhalb der Zeche bot also sicher Vorteile, es gelang aber nicht unbedingt,
völlige wirtschaftliche Gleichheit zwischen den einzelnen Meistern der jeweiligen Zeche
herzustellen.
IV.3.2.3. Einteilung und Ordnung von Verkaufsplätzen und -ständen
Zur Organisation der verschiedenen Gewerbe innerhalb einer Stadt gehörte auch die
Ordnung von Verkaufsstätten der von den Handwerkern produzierten Waren. Nicht nur
die Interessen der Zechen, sondern auch der Stadt selbst oder anderer Institutionen – die
im Besitz des Ortes, an dem der Verkauf stattfand, waren – spielten dabei eine gewichtige
Rolle. Die grundsätzliche Regelung, die bereits in der ältesten im HWOB enthaltenen
Ordnung angesprochen wird und sich danach häufig in den Satzungen verschiedenster
Handwerke wiederholt, besagt, dass die Meister ihre Produkte an der Stelle verkaufen
sollen, an der sie diese produzieren oder für die sie ihren Jahrhofzins zahlen, also wohl in
der Werkstatt1000.
Komplizierter wurde diese Sache allerdings anscheinend, wenn es um gemeinschaftli-
che Verkaufsstätten ging. In manchen Handwerken fungierte ausdrücklich das Zechhaus
als Verkaufsort. Hier ist an erster Stelle das am Hohen Markt befindliche Leinwandhaus
zu nennen1001. 1453 wird verfügt, dass alle Leinwater eine der Verkaufsstätten (stat) im
Leinwandhaus besitzen sollen, deren Verteilung durch Los erfolgt und die dann durch die
jeweils zugelosten Meister einen ganzen Monat lang besetzt werden. Nach Ablauf dieser
Zeit rücken die Leinwater dann einen Stand weiter, damit keiner einen Vorteil erlangen
kann, da sie alle eine gleich hohe Abgabe – wohl an das im Besitz des Leinwandhauses
befindliche Wiener Bürgerspital – zahlen1002.
1455 wird die Bestimmung, dass jeder Leinwater, der Leinwand verschneiden will,
eine Verkaufstätte im Leinwandhaus haben und gleichzeitig Mitglied der Zeche sein soll,
nochmals wiederholt, ohne jedoch weitere Regelungen zu treffen1003. Im Jahr 1479 wird
997 Zusammenfassend dazu Isenmann, Stadt 858. Verbote des Fürkaufs lagen jedoch auch im Interesse
der Stadtobrigkeit, um das städtische Wirtschaftstreiben besser kontrollieren zu können und die Stellung Wiens
als Handelsplatz zu gewährleisten. So wird beispielsweise den Wiener Leinwatern in der Ordnung von 1517
(Nr. 339) verboten, auf dem Land Zwischenhandel mit ihren Tuchen zu treiben, die Jahrmarktszeiten jedoch
ausgenommen; begründet wird diese Maßnahme damit, dass fremde Kaufleute dadurch gezwungen seien, das
Tuchlager (leger) in Wien aufzusuchen und somit nicht schon im Gebiet außerhalb der Stadt die Möglichkeit
haben würden, diese Produkte zu beziehen. Siehe zur Rolle von Fürkaufsverboten als Herrschaftsinstrument des
Stadtrats über die städtische Wirtschaft und auch über das Umland Dirlmeier, Obrigkeit 444f.
998 Isenmann, Stadt 859.
999 Siehe Nr. 284 Narratio; Zatschek, Handwerk 102.
1000 Siehe Nr. 115 Art. 4: Sy sullen auch ir arbait nindert alswo vail haben denn an der stat, da sy die ma-
chent oder irn jarhaftzins gebent. Vgl. dazu allgemein Zatschek, Handwerk 105.
1001 Vgl. dazu allgemein Uhlirz, Gewerbe 735; Perger, Hoher Markt 53.
1002 Siehe Nr. 274a Art. 1, 2; Zatschek, Handwerk 106.
1003 Siehe Nr. 275 Art. 3.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen