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IV. 3. Meister 147
Die in der Bruderschaft zentral aufbewahrten Bahrtücher und -kerzen werden für die
Begräbnisfeierlichkeiten um eine in den meisten Fällen nicht näher genannte Gebühr ver-
liehen. Kann aufgrund der Armut des Verstorbenen das normale Bahrtuch nicht bezahlt
werden, so werden die billigeren Kinderbahrtücher und Kinderkerzen verliehen, außer
jemand anderer kommt für die teuere Ausstattung auf (Art. 5). Dieselben Kinderbahrtü-
cher und Kinderbahrkerzen werden auch für das Begräbnis von Kindern im Kommuni-
onsalter sowie von Gesellen und Mägden (dyrrnen) zur Verfügung gestellt, wobei für den
letztgenannten Fall eine Gebühr von einem halben Pfund Wachs festgelegt wird (Art. 10,
11). Den Mitgliedern der Bruderschaft, die außerhalb der Stadt Wien sterben und sich bis
zu ihrem Tod ohne Tadel verhalten haben, wird ebenso in verschiedenen Feierlichkeiten
gedacht, und zwar dezidiert als ob diese anwesend wären (sam er gegenwurtig wèr, Art. 9).
Bruderschaftszusammenkünfte, sogenannte zechtaidinge, finden in der St. Oswald-
Bruderschaft offenbar im monatlichen Rhythmus statt, wobei die einzelnen Bruder-
schaftsmitglieder jedesmal einen Pfennig als Abgabe zahlen müssen. Anscheinend erhöht
sich diese Beitragszahlung um nochmals einen Pfennig, wenn im Monat davor ein Bru-
derschaftsmitglied gestorben ist (Art. 6). Bei einer Schuld von 13 nicht gezahlten Zech-
pfennigen werden diese von durch die Zechmeister beauftragten Boten eingetrieben.
Wird die Schuldtilgung verweigert, dann verliert das betreffende Mitglied alle Rechte in
der Bruderschaft (Art. 7).
Schlussendlich legt die Ordnung noch allgemeine Verhaltensregeln für die Bruder-
schaftsmitglieder und weitere Pflichten der Zechmeister fest: Gehorsam gegenüber den
Zechmeistern und den in das Bruderschaftsbuch eingetragenen Bestimmungen ist Pflicht,
ansonsten muss als Strafe ein halbes Pfund Wachs gezahlt werden (Art. 12). Ein Aus-
schluss aus der Oswaldsbruderschaft wird denjenigen angedroht, die nicht rechtmäßig
leben und denen dieser Lebenswandel nachgewiesen wird (Art. 13). Auch in der St. Os-
wald-Bruderschaft sind die Zechmeister für die jährliche öffentliche Rechnungslegung
verantwortlich (Art. 14)1032. Der letzte Artikel regelt die Leihe aus dem Bruderschafts-
vermögen allgemein: Nur Mitglieder haben das Recht, Bahrtücher, Kerzen und andere
Dinge auszuleihen, jedoch muss dies mit der Zustimmung der anderen Bruderschaftsmit-
glieder geschehen. Außerdem muss ein jeder, der seine Urkunde (seinen brief; vielleicht
eine Abschrift der Bruderschaftsordnung) verliert, bei einer Strafe von einem Vierdung
Wachs eine neue anfertigen lassen; der Schreiber wird dabei aus der Bruderschaft – expli-
zit von den Zechmeistern – mit einem Pfennig bezahlt (Art. 15).
Neben diesen beiden genauer analysierten Ordnungen enthält das HWOB noch
einige religiös-bruderschaftlich orientierte Statuten von Zechen, die gemeinschaftlich
aus Gesellen und Meistern gebildet wurden, wie es unter anderem bei den Tischlern
(1497)1033 und insbesondere bei den Tuch- und Kotzenmachern (1530)1034 der Fall war.
Die Organisation dieser Zechen wurde bereits weiter oben im Kapitel über die Gesellen
ausführlich behandelt1035.
Insgesamt bestätigen die beiden in diesem Abschnitt besprochenen Ordnungen die
wichtige Stellung der Zechmeister innerhalb der Zeche, die bereits weiter oben angespro-
1032 Siehe dazu auch oben S. 136.
1033 Siehe Nr. 317.
1034 Siehe Nr. 314.
1035 Siehe oben S. 123.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen