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IV. 3. Meister 149
jedoch zwei Gesellen und einen Lehrling. Auch ein Meistersohn fällt unter dieselben Be-
dingungen. Der Vorteil dürfte also bei den Meistern bzw. Meistersöhnen gelegen sein,
die sich mit einer Meisterin bzw. Meistertochter vermählten1044. Im Jahr 1454 bestim-
men Bürgermeister und der Rat wiederum für die Messerer, dass sowohl ein Geselle, der
eine Meisterin oder eine Meistertochter zur Frau nimmt, als auch ein Meistersohn die
Handwerksfertigkeit nachweisen müssen1045. Doch schon 1470 kann bei den Messerern
derjenige, der eine Meisterin oder Meistertochter ehelicht oder ein Meistersohn ist, den
Nachweis der Fähigkeiten durch eine Geldzahlung an die Zeche ersetzen, was wiederum
einen klaren Vorteil darstellt1046. Bei den Krämern wird 1463 bestimmt, dass jede Person,
die eine Witwe oder einen Witwer heiratet, die Summe von vier Pfund Wachs, drei Schil-
lingen und 20 Pfennigen an die Zeche zu zahlen hat; damit verringert sich jedenfalls die
Eintrittsgebühr im Vergleich zu anderen Krämermeistern1047. Im Jahr 1472 wird bei den
Kammmachern und Bürstenbindern ebenso festgelegt, dass ein Meistersohn oder jemand,
der eine Meisterin zur Ehefrau nimmt, von der Pflicht befreit wird, den Fähigkeitsnach-
weis zu erbringen1048.
Doch noch um 1500 gibt es Bestimmungen, die eine Bevorteilung von Meistersöhnen
bzw. Meisterschaftsanwärtern, die eine Meisterin bzw. Witwe heiraten, nicht unbedingt
unterstützen: 1504 bestehen die Tischler darauf, dass auch diese Gruppen die Meisterprü-
fung ablegen müssen1049. In der St. Oswald-Bruderschaft wird von einem Witwer, der sich
wiederverheiraten will, ein Beitrag von zwei Pfund Wachs und die Zahlung dieser Abgabe
innerhalb eines Jahres verlangt, um der neuen Ehefrau die Mitgliedschaft in der Zeche zu
sichern. Wenn eine Witwe erneut heiratet, muss der Ehemann ebenso zwei Pfund Wachs
in die Zeche geben; die Zahlung dieses Beitrags muss bis zum nächsten, offenbar monat-
lich stattfindenden Zechtaiding erfolgen1050.
Die Meisterwitwe konnte jedenfalls – zumindest für eine gewisse Zeit – den Meister-
betrieb ihres verstorbenen Mannes aufrechterhalten1051. Bei den Zinngießern scheint es
im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts sogar keine Einschränkung für eine verwitwete
Zinngießerin gegeben zu haben: Sie darf das Handwerk weitertreiben und – wenn sie
will – einen neuen Mann heiraten1052. Auch die Weißgerber sehen 1428 für die Witwe
eine freie Berufsausübung vor und erteilen demjenigen, der eine Witwe heiratet, keinerlei
Vorteile in Bezug auf die Meisterschaftserlangung1053. 1444 legt der Rat für die Käufel
Am Hof fest, dass die Witwe das Handwerk ohne Irrung weitertreiben darf, solange sie
1044 Siehe Nr. 104 Art. 13.
1045 Siehe Nr. 98 Art. 3.
1046 Siehe Nr. 111 Art. 12.
1047 Siehe Nr. 293 Art. 4.
1048 Siehe Nr. 96 Art. 3.
1049 Siehe Nr. 243 Art. 4.
1050 Siehe Nr. 335b Art. 8. Zum Zechtaiding der St. Oswald-Bruderschaft siehe oben S. 147.
1051 Zur Forschungskontroverse bezüglich des Fortführungsrechts der Meisterwitwen siehe konzise
Korge, Kollektive Sicherung 387–389. Die Frage dreht sich vor allem darum, ob die prinzipiell gestattete
Fortführung des Betriebs durch die Witwe nur theoretischer Natur und in der wirtschaftlichen Praxis kaum
umsetzbar war, oder ob das Fortführungsrecht als brauchbare soziale Sicherungsmaßnahme gelten kann. Zur
relativ großzügigen Handhabung der Fortführung der Werkstätten durch Witwen im Nürnberger Handwerk
des 15. und 16. Jhs. siehe Kruse, Witwen 321f.; vgl. dazu auch Korge, Kollektive Sicherung 398–412, der
einen im Laufe der Frühen Neuzeit zunehmenden Druck zur Wiederverheiratung in den städtischen Zentren
Sachsens erkennt.
1052 Siehe Nr. 144 Art. 1.
1053 Siehe Nr. 177 Art. 2; Zatschek, Handwerk 242.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen