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V. Schlussbetrachtung 175
lediglich in der Ordnung der Tuchscherer von 1429 überliefert. Bestimmungen über die
Erleichterung des Zugangs zur Meisterschaft finden sich ebenso häufig für die Meister-
söhne, die laut diversen Ordnungen entweder die Lehrzeit überspringen konnten, die
Meisterprüfung nicht ablegen mussten oder weniger Eintrittsgeld für die Erlangung der
Zechmitgliedschaft zahlen durften. Als weitere gesellschaftliche Gruppe werden in den
Ordnungen des HWOB die Störer, also Handwerker ohne Meister- und Bürgerrecht bzw.
Zechzugehörigkeit, angesprochen. Die wenigen enthaltenen Bestimmungen sprechen vor
allem von einem Verbot für Gesellen, bei Störern zu arbeiten.
Die Ordnungen des HWOB decken also die im Spätmittelalter wichtigsten gesell-
schaftlichen Gruppen in den Wiener Handwerken ab, mit Abstand am meisten Infor-
mationen sind – wenig überraschend – bezüglich der Handwerksmeister und -gesellen
überliefert. Das HWOB fungierte neben der hauptsächlichen Funktion als Stadtbuch
für Handwerksordnungen jedoch auch als Eidbuch und allgemeines Ordnungsbuch an
sich. Die im HWOB überlieferten Eide lassen sich in Amts-, Bürger- und Treueide un-
terscheiden. Während die Amtseide, die großteils aus der zweiten Hälfte des 15. Jahr-
hunderts stammen dürften, Einblick in die Tätigkeitsfelder verschiedener Ämter geben,
veranschaulichen die Bürger- und Treueide, die zum überwiegenden Teil auf den Landes-
fürsten und Stadtherrn geleistet wurden, die wechselvolle politische Geschichte Wiens
– vor allem für die Zeit um 1458/62 und für die Periode der ungarischen Herrschaft von
1485 bis 1490.
Über die Handwerksordnungen hinausgehend – wenn auch oft die Interessen der
Handwerker berührend – sind die weiteren im HWOB überlieferten Satzungen, die zum
einen das Maut- und Marktwesen Wiens allgemein, zum anderen den Weinbau und den
Weinausschank sowie die Sicherheit und das Zusammenleben innerhalb Wiens und in
den Vororten regeln. Die Mautordnungen behandeln neben den Verpflichtungen der
fremden Kaufleute dem Hansgrafen gegenüber vor allem die Organisation und die Zu-
ständigkeiten der Mitarbeiter der zentralen Mautverwaltung der Stadt, des Wiener Maut-
hauses. Dieses wurde durch die sogenannten „Herren auf dem Mauthaus“ geleitet, als de-
ren Untergebene fungierten Absamer, welche die fälligen Gebühren für die Marktstände
einhoben, Mautner vor den Stadttoren, Beschauer, die die mautpflichtigen Waren kon-
trollierten, und Ballenbinder, die diese verpackten. Für den Getreide- und Mehlverkauf
war das Metzenleihamt die zentrale Anlaufstelle. Die Leihe von geprüften Hohlmaßen
für den Verkauf von Getreide und Mehl war Hauptaufgabe des Metzenleihers, der ihm
untergebene Mehlmesser kontrollierte gegen Auftrag die verkaufte Menge. Diese strenge
Kontrolle des Getreide- und Mehlhandels war besonders deswegen von Bedeutung, weil
sich der Brotpreis bis 1443 am Getreide-, ab 1443 am Mehlpreis orientierte. Auch der
Verkauf von Fleisch wurde überprüft, eigens angestellte Fleischbeschauer kontrollierten
die Güte der angebotenen Waren und waren auch für die Festlegung und Prüfung des
Fleischpreises zuständig.
Die Ordnungen des HWOB berichten auch umfangreich über die sogenannten
Weinmeister. Da jeder Wiener Bürger das Recht hatte, seinen Eigenbauwein im eige-
nen Haus auszuschenken, konnte er die Weinmeister mit der Abwicklung dieses Aus-
schanks beauftragen. Wie die im HWOB überlieferten Satzungen zeigen, war die Tä-
tigkeit der Weinmeister – obwohl vom Rat bestellt und vereidet – höchst umstritten;
gänzliche Verbote der Weinmeisterzeche wechselten sich mit erneuter Instandsetzung
und mit Einschränkungen der Befugnisse derselben ab. Eine andere Möglichkeit für die
Wiener Bürger, ihren Wein zur Ausschank zu bringen, war die Übergabe desselben an
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen