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176 V. Schlussbetrachtung
einen Leitgeben, der den Wein in seinem Gasthaus anbot. Im HWOB ist überdies noch
von Weinkostern, die den neuen Wein prüften und dessen Ausschank genehmigten, und
Weinrufern, die den diese Prüfung bestandenen Wein öffentlich verkündeten, zu lesen.
Das HWOB enthält, wie bereits erwähnt, auch Ordnungen zur Sicherheits- und
Wachtorganisation der Stadt. Ursprünglich war es die Pflicht jedes Bürgers, die Stadt im
Notfall zu verteidigen. Auch Handwerksmeister – die ja Bürger waren – und ihre Gesellen
wurden zu solchen Aufgaben, aber auch zu Wachtdiensten abgeordnet. Die im HWOB
überlieferte Ordnung der Wächter, die wahrscheinlich um 1531 erlassen worden ist, und
der Eid des Feuerrufers zeigen bereits die ersten Ansätze hin zu einer Professionalisie-
rung des städtischen Sicherheitsdienstes. Schon früher, nämlich im Jahr 1432, sind für
die Vorstädte Wiens mit den sogenannten „Vierern vor den Toren“ eigens für diese Ge-
biete zuständige, beeidete Amtsträger nachweisbar, deren Aufgabenbereiche die Beschau
der Gebäude und Feuerstätten sowie die Entscheidung in Grenzstreitigkeiten waren.
Eine ähnliche Funktion übernahmen innerhalb der Stadt die sogenannten geschwore-
nen Werkleute. Neben diesen sicherheitsorganisatorischen Ordnungen und Ämtern im
engeren Sinn gibt das HWOB ebenso Auskunft über die Rechte der Bewohner des Un-
teren Werds. Ein in die Handschrift eingetragenes Weistum hält – unter Hinweis auf die
gewohnheitsrechtliche Grundlage der Bestimmungen – Rechte in Bezug auf Diebstähle,
öffentliche Streitigkeiten, Hausfriedensbruch, Totschlag und ähnliche Fragen fest.
Das Spektrum der im HWOB enthaltenen Informationen ist also enorm breit. Die
Handschrift liefert nicht nur Antworten auf handwerksgeschichtliche Fragestellungen,
sondern bietet auch Einblick in die Verwaltung der Stadt Wien im späten Mittelalter,
zeichnet in Form der Bürger- und Treueide die politische Geschichte Wiens im 15. Jahr-
hundert nach und skizziert die Anfänge der Professionalisierung des Sicherheits- und Ver-
teidigungswesens der Stadt. Dies alles macht diese Handschrift zu mehr als einem Buch,
in dem „nur“ Handwerksordnungen festgehalten worden sind. Das HWOB stellt ein
thematisch vielschichtiges Stadtbuch dar, das bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts intensiv,
dann zumindest bis in das 17. Jahrhundert weiterhin genutzt worden ist, und zählt – ne-
ben dem Eisenbuch – mit Sicherheit zu den bedeutendsten Produkten des spätmittelalter-
lichen Verwaltungsschriftguts Wiens.
Das Wiener Handwerksordnungsbuch
(1364–1555)
- Title
- Das Wiener Handwerksordnungsbuch
- Subtitle
- (1364–1555)
- Author
- Markus Gneiß
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2017
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20418-3
- Size
- 17.3 x 24.5 cm
- Pages
- 674
- Keywords
- Late Medieval Vienna, Craft ordinances, Craftsmen, Late Medieval Urban Administration, Commented Edition, Wien im Spätmittelalter, Handwerksordnungen, Handwerker, Spätmittelalterliche Stadtverwaltung, Kommentierte Edition
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen