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Affekt. 11
liegen falsche Urteile zugrunde (vgl. CICERO, Tuscul. disput. IV, 6, 11; 7, 14).
Hauptaffekte sind Leid, Furcht, Begierde, Freude (Diog. Laert. VII, HO);
daneben gibt es auch gute Affekte Diog. Laert. VII, 116). Der
Weise, Tugendhafte unterdrückt die Affekte, die gegen die Natur der Seele
sind und uns unfrei machen (CICERO, disp. III, 9; IV, 19; SENECA,
Epist. 116; De ira II, 17, 7). Die Scholastiker fassen die Affekte als Er-
regungen des Trieblebens (des „appetitus THOMAS, I.
II, 24, De verit. qu. 26, „passio" als jede Form des Strebungsver-
mögens, „potentiae appetitivae": GOCLEN, Lex. philos. S. 802) auf. Mit den
Affekten befaßt sich ausführlich L. (De III, 146 ff.). Aus
Streben und Widerstreben besteht der A. auch nach der ihn mit
Bewegungen des Blutes in Verbindung bringt (De corpore c. 25, Leviathan
I, 6). Auch DESCARTES erklärt die A. physiologisch, aus gewissen Bewegungen
der „Lebensgeister", welche das Hirn erregen I, 27; II, 51).
Sechs Grundaffekte gibt Liebe, Haß, Begierde, Freude,
Trauer (1. c. II, 69). Eine wichtige Rolle spielen die A. bei SPINOZA, welcher
(wie schon F. BACON) betont, ein Affekt lasse sich nur durch einen andern
Affekt bekämpfen (so später auch HUME). Der A. ist eine „verworrene Idee"
Eth. III, Schluß). Affekte sind Zustände des Organismus,
durch welche dessen Kraft gestärkt oder geschwächt, gefördert oder gehemmt
wird, sowie das Bewußtsein dieser Erregungen („corporis affectiones quibus
ipsius corporis agendi potentia augetur minuatur, iuvatur coercetur, et
affectionum Eth. III, def. III). Es gibt drei Grund-
affekte : Freude, Trauer, Begierde. In der Herrschaft über die welche
durch adäquate Erkenntnis des Wesens der Dinge erlangt wird, besteht die
menschliche Freiheit (s. Willensfreiheit). Über die Unterscheidung der Affekte
(Neigungen) bei vgl. Sittlichkeit. Im Sinne der Scholastik
faßt die A. CHR. WOLFF auf (Psychol. § 603 ff.). Vgl. HAGEMANN,
Psychol.8, 1909.
Das Jähe, Heftige des A. betont KANT; A. ist „das Gefühl einer Lust
oder Unlust im gegenwärtigen Standpunkte, welches im Subjekt die . . Über-
legung nicht aufkommen läßt" (Anthropol. § 71 f.; vgl. Die
oder „wackeren" A. steigern, die „asthenischen" oder „schmelzen-
den" A. schwächen die Lebenskraft (1. c. § 74). Das Heftige, Plötzliche, Ex-
plosive des A. betonen auch Gefühlsleben 1862, S. 247),
SCHOPENHAUER, JODL (Psychol. S, 411 ff.), HÖFFDING („plötzliches Auf-
brausen des Gefühls", Psychol.2, S. 292), („un choc brusque", Psychol.
des sentiments, 1896, S. 67; Essai sur passions, 1907) u. a. Nach A. LEH-
MANN ist der A. derjenige Seelenzustand, „in welchem starke Gefühle mit
größerer oder geringerer Störung des normalen Vorstellungsverlaufes verbunden
sind" (D. Hauptgesetze des menschl. Gefühlslebens 1908).
Verschiedene Psychologen erblicken in Organempfindungen und physio-
logischen Veränderungen (Bewegungen, vasomotorische Veränderungen) die
Grundlage (nicht erst Folge) des A. So (früher) W. JAMES, nach welchem
wir z. B nicht weinen, weil wir traurig sind, sondern traurig sind, weil wir
weinen of Psychol. II, K. 25; Psychologie, deutsch, 1909, S. 573 ff.),
€. LANGE (Über Gemütsbewegungen, (Dolore e Piacere, 1894) u. a.
Als Gefühlsverlauf faßt den A. besonders WUNDT auf. Der A. ist ein
psychisches Gebilde, und zwar geht jedes intensivere Gefühl in einen A. über.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften