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Allgemein.
Allgemein (universal, generell) ist, was einer ganzen Klasse von Gegen-
ständen gemeinsam als Merkmal zukommt, was ein Ding mit anderen teüt,
was es anderen gleichmacht, worin es mit anderen übereinstimmt, was der Art
oder Gattung, nicht dem Einzelnen als solchem eigentümlich ist. Das All-
gemeine ist also nicht eine eigene, selbständige Wesenheit, sondern findet sich
in der Wirklichkeit nur an den einzelnen Gegenständen, in deren gleichartigem
Verhalten es sein „Fundament" hat. Für gesondert besteht das A. nur
im Denken, welches das einer Gruppe von Gegenständen Gemeinsame (durch
„isolierende Abstraktion") heraushebt, fixiert und im Begriff (s. d.) einheitlich
zusammenfaßt, um es dann in voller Weise auf das Einzelne anzuwenden.
Auch durch „Verallgemeinerung" das Denken zum All-
gemeinen, in Raum und Zeit sich Wiederholenden, Wiederkommenden, zu mehr
oder weniger umfassenden Gesetzen (s. d., vgl. Induktion). Das Gemeinsame
einer Reihe von Gegenständen enthält der Allgemeinbegriff (Klassen-, Gattungs-
begriff). Das Bewußtsein der Allgemeinheit besteht psychologisch in
Nebengedanken, irgendwelche Einzelvorstellungen sollen nur als Vertreter einer
ganzen Klasse gelten, es komme an ihnen nur das mit anderen Gemeinsame
in Betracht. Die einzelnen Worte (s. d.) bezeichnen in der Regel direkt etwas
Allgemeines, sind meist Zeichen für eine ganze Klasse von Gegenständen. In
der Wirklichkeit sind die besonderen und allgemeinen Merkmale an den Dingen
zusammen gegeben und also beide „real"; das Allgemeine stellt sich als Be-
sonderes, das Besondere als Modifikation des Allgemeinen dar. Das A. ist also
weder rein subjektiv, d. h. ohne Wirklichkeitsgrundlage, noch darf es zu einer
selbständigen Wirklichkeit („hypostasiert") werden. Rein logisch kann
man vom Allgemeinen aufs Besondere schließen, aber nicht umgekehrt (vgl. Ab
universal], Deduktion).
Auf die Art der Existenz und Gültigkeit des Allgemeinen bezieht
das Universalienproblem (Universalien sind die Allgemein- oder Gattungs-
begriffe). Es fragt sich nämlich, ob das Allgemeine (die Gattung, Art) nur
im Denken oder auch in der Wirklichkeit besteht, oder ob es in Wirklichkeit nur
ein Besonderes, Individuelles, Einzelnes gibt, so daß dann das Allgemeine nur
im Begriffe oder gar nur im Worte liegt (Konzeptualismus u. Terminis-
mus oder Die Ansicht, daß das A. Realität,
Gültigkeit heißt Begriffs-Realismus (vom erkenntnistheoretischen
Realismus wohl zu unterscheiden!); dieser lehrt als
die selbständige, den Einzeldingen vorhergehende, gesonderte Wirklichkeit des
Allgemeinen („universalia ante rem"), als gemäßigter R. aber nur die
des A. in den Dingen selbst („in rebus") und, logisches Gebilde, nach den
Dingen (,.post rem"), aus welchen es der Verstand abstrahiert. Für die Nomi-
nalisten existiert das A. nur „post rem", nur gedanklich oder gar nur nominell,
als Name, der eine Klasse von Gegenständen in allgemeiner Weise bezeichnet,
vertritt. Ausdrücklich formuliert wird das Universalienproblem in des BOETHIUS
Kommentar zur „Isagoge" des PORPHYR; es wird gefragt, ob die Gattungen
und Arten „sive subsistant sive in nudis intellectibus posita sive sub-
sistentia corporalia an incorporalia, et a posita et
circa consistentia".
Den (Begriffs-) Realismus vertreten, extrem, PLATON Idee),
ARISTOTELES, der gemäßigter Realist ist. Das A. hat vor Einzelnen nur
die logische Priorität, es ist das eigentliche Objekt reinen Wissens
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften