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Anschauungsformen.
Erfahrung (s. d.) als solche, die Zeit auch für die psychischen Erlebnisse als
solche. Auf der Eigenschaften und Gesetzlichkeiten, welche sich
aus der Natur der Anschauungsformen, des Formalen, der als räumlich und
zeitlich charakterisierten Verbindungs- und Ordnungsweise ergeben, also durch
Reflexion auf die in diesen Formen möglichen und notwendigen Kon-
struktionsweisen, sowie logischer Forderungen entspringen sowohl der
und Zeitbegriff als auch die Grundsätze der Mathematik (s. d.). Die „Aprio-
rität" (s. d.) der Anschauungsformen liegt in der „Anschauungsnotwendigkeit"
derselben und in der Voraussetzung, daß sie für alle mögliche Erfah-
rung gelten und in gleicher Gesetzlichkeit gelten werden und müssen,
weil sie notwendige Bedingungen zur Herstellung objektiver Erfahrung und
für die Möglichkeit von Erfahrungsobjekten sind, welche durch ihre raum-zeit-
Bestimmtheit sich aus dem Flusse der Erlebnisse herausheben. Raum
und Zeit sind Bedingungen exakter Naturerkenntnis. Die „Idealität"
(s. d.) der Anschauungsformen bedeutet, daß sie uns nicht als „Dinge an sich",
als von allem Erkennen unabhängige Wesenheiten oder Eigenschaften von solchen
gegeben sind, sondern als Formen der Gegenstände, wie sie in einer Erfah-
rung überhaupt vorkommen können. Dieses „subjektive" Moment, dieses Ge-
der Anschaungsformen an mögliche Erfahrung ist mit der „Objek-
von Raum und Zeit, d. h. mit deren Existenz und Geltung für alle
Erfahrung und für Subjekte (für ein „Bewußtsein
welches von der Individualität der Erkennenden unabhängig ist) durchaus verein-
bar. wenn auch Raum und Zeit nicht Bestimmtheiten der „Dinge an
sich" sind, so hindert doch nichts, anzunehmen, daß ihnen im absoluten, vom
Erkennen unabhängigen Sein etwas entspricht, daß in diesem ein „Grund"
liegt, der das Subjekt nötigt, die Raum- und Zeitbestimmtheiten anschauend
und denkend so zu setzen.
In der älteren Philosophie gelten Raum (s. d.) und Zeit (s. d.) in der Regel
als Beschaffenheiten oder Verhältnisse der absoluten Wirklichkeit selbst (ARISTO-
TELES, Stoa, Atomistik, Scholastik, DESCARTES, SPINOZA, LOCKE U. a.),
obwohl hier und da auch die Idealität der Zeit gelehrt wird. Den Raum faßt
als bloße Erscheinung LEIBNIZ auf, die Idealität der Anschaungsformen lehren
ED. LAW, BURTHOGGE (vgl. CASSIRER, D. Erkenntnisproblem, 1906 f.).
Den Begriff „Anschauungsform" prägt aber erst KANT aus, der sie auch als
„reine Anschauung" bezeichnet. Die Form (s. d.) der Erfahrung ist das, was
macht, „daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen ge-
ordnet angeschauet wird". Die Form der Anschauung ist „das, worinnen sich
die Empfindungen kann daher nicht selbst Empfindung
sondern „muß zu ihnen insgesamt im a priori bereit liegen, und daher
abgesondert von aller Empfindung betrachtet werden". Raum und
Zeit sind „nichts als subjektive Formen unserer sinnlichen Anschauung",
Bestimmungen der Dinge an sich, sondern der Erscheinungen (s. d.), für welche
sie aber allgemein und notwendig, a priori (s. d.) gelten. Was von der reinen
Anschauung des Raumes und der Zeit gilt, auch für die anschaulich er-
faßten Gegenstände als Anschauungsobjekte, woraus sich die strenge und objek-
tive Geltung der mathematischen Grundsätze ergibt. „Zeit und Raum sind
demnach zwei Erkenntnisquellen, aus denen a priori verschiedene synthetische
Erkenntnisse geschöpft werden können . . . Sie sind nämlich beide zusammen-
genommen reine Formen aller sinnlichen Anschauung und machen dadurch
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book Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften