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60 Ästhetik.
schmacks und auf alles andere bloß „Relative" im ästhetischen Empfinden und
Urteilen Rücksicht zu nehmen ist. Arten des Ästhetischen sind das
Charakteristische, Erhabene (s. d.), Tragische (s. d.), Komische d.) usw.
ist, was den Willen zum Schauen, zum einheitlich-harmonischen, lebendigen
bedeutsamer Inhalte, durch seine objektive Beschaffenheit,
durch die besondere Anordnung und die Verhältnisse seiner Teile, sowie durch
die mit seiner Wahrnehmung verschmelzenden Vorstellungselemente, Ge-
fühle und Strebungen befriedigt, zu befriedigen vermag oder doch befriedigen
sollte ein guter Geschmack, ein genügendes ästhetisches Verständnis
vorläge). Am Zustandekommen des ästhetischen Gesamteindrucks beteiligen
sich „ästhetische Elementargefühle" (s. d.), verschiedener Art,
assoziativ erregte Vorstellungen, befriedigte „funktionelle Bedürfnisse" (s.
die „Einfühlung" (s. d.). Gehalt und Form des Kunstwerkes wirken Einheit,
wobei aber die eine oder die andere mehr zur Geltung kommen kann. Die
stellt ein Bedeutsames, ein von der künstlerischen Phantasie
als Einheit und Empfundenes anschaulich dar, sie ist ein Aus-
druck der Art und Weise, wie der Künstler Eindrücke aufnimmt und ver-
arbeitet, eine Objektivierung des der Künstlerseele, welche
uns zum Miterleben der von ihr geschauten „Idee" der von ihr erlebten
„Stimmung" einladet, auffordert. Die K. ist ursprünglich mit
tischen Zwecken (Schmuck, Kultus, Zauber u. a:) und wird erst
später zu einer selbständigen Geistesbetätigung, die mit dem Spiele (s. d.) ver-
wandt ist, aber mehr als Spiel ist und einen bedeutsamen kulturellen und
sozialisierenden Faktor bildet.
Der Name „Ästhetik" stammt A. BAUMGARTEN (Aesthetica,
über ihn s. unten) und hat sich besonders durch FR. SCHILLER eingebürgert.
In England gebraucht man auch den Ausdruck „criticism".
Die Anfänge der Ä. finden sich schon im Altertum. PLATON setzt die
Schönheit in das Harmonische und das Symmetrische, das an sich gefällt und
eigene Gefühle erzeugt (Philebus, 51), zugleich aber in das Hindurchscheinen
der „Idee" (s. d.) durch das Sinnliche (Phaedrus, 250 B ff.: Keim der speku-
lativen „Gehaltsästhetik"). Die Kunst muß sittlichen Zwecken dienen. ARI-
STOTELES setzt das Schöne in die Ordnung und Symmetrie und führt die
Kunst auf den Nachahmungstrieb und auf die Freude an den Produkten
nachahmender Gestaltung zurück. Die Kunst ahmt aber mehr das Typische
nach oder führt das in der Natur Unvollendete zu Ende; sie wirkt, besonders.
in der Tragödie (s. Tragisch) „kathartisch" (s. Katharsis). Spekulativ-idea-
listisch ist die Ä. PLOTINS. Das Schöne ist das „an der Idee gleichsam Her-
vorstrahlende", es gibt ein übersinnliches Urbild der sinnlich erscheinenden
Schönheit (Enneaden — Mittelalter kommt die Ä.
THOMAS VON AQUINO in Betracht. Das Schöne durch sich selbst und
in der Anschauung („pulchrum cuius ipsa apprehensio placet", Sum. theol. II 1,
27 a, 1 ad 3; I, 39, 8c; vgl. Ästhetik, 1884; L. SCHÜTZ, Lehr-
buch d. Ä.8, 1889; J. MÜLLER, Eine Philosophie des Schönen, 1897).
Die intellektualistische Richtung der Ä. (Auffassung des ästhetischen Ge-
nießens als sinnliche Erkenntnis einer Vollkommenheit) tritt in Deutschland
seit LEIBNIZ der die Lust an harmonischen Verhältnissen aus einem
bewußten Vergleichen und Zählen erklärt (Opera, ed. Erdmann, S. 7 f.). Die
deutsche Ä. begründet aber erst A. BAUMGARTEN (vgl. E. BERGMANN, D.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften