Page - 71 - in Handwörterbuch der Philosophie
Image of the Page - 71 -
Text of the Page - 71 -
— Aufmerksamkeit. 71
ist die Aufnahme, Aneignung, geistige Verarbeitung eines
Vorstellungsmaterials, die Fähigkeit verständnisvoller Beurteilung eines Ge-
gebenen (vgl. Apprehension), auch die vom Subjekt abhängige Betrachtungs-
weise von Gegenständen (vgl. Relativismus). Vgl. L. W. STERN, Psychol. d.
individuellen Differenzen, 1900, S. 71 ff.; 2. A. 1911); J. Zur
d. Auffassungsfäh. u. Merkfähigkeit, Psychol. Arbeiten (hrsg. von KRAEPELIN)
III, 1901; A. Über Auffassung, 1904.
heißt im 18. Jahrh. die einer individualistischeren, subjekti-
veren Lebensauffassung und einem Hervortreten der Vernunft mit ihrer kritischen
Tätigkeit entspringende Verbreitung freierer, selbständigerer, von Autoritäten
unabhängigerer, klarerer, vorurteilsloser Anschauungen über und Leben,
Staat und Individuum, das Verhältnis des letzteren zur und zur Gesellschaft,
über Erziehung, philosophische Probleme, das seelische Leben usw. Klares,
vernünftiges, selbständiges Denken, Kampf gegen Aberglauben und Vorurteile
ist die Devise der A., welche in ihrem manchmal platten Rationalismus wenig
historischen Sinn zeigt, aber grundlegend für die moderne Kultur wurde. In
den verschiedenen Ländern nimmt sie einen etwas verschiedenen Charakter an,
am extremsten wird sie Frankreich; in Deutschland kommt sie zum Teil in
einer stark psychologisierenden Popularphilosophie zum Ausdruck, welche für
religiöse Probleme viel Interesse aufweist und dem Deismus (s. d.) zuneigt, der
übrigens auch in England und zum Teil in Frankreich (neben dem Atheismus)
auftritt. Vorläufer der A. sind F. BACON, LOCKE, DESCARTES, SPINOZA,
LEIBNIZ, CHR. WOLFF. In England sind als Aufklärer TOLAND, M. TINDAL
und andere Deisten (s. d.) und zu nennen; in Frankreich BAYLE,
MONTESQUIEU, VOLTAIRE, ROUSSEAU (der aber schon eine Reaktion gegen
den Intellektualismus der A. bedeutet), die „Enzyklopädisten" (s. d.) GRIMM,
HOLBACH, DIDEROT, D'ALEMBERT, LAMETTRIE U. a., die zum,
Teil Materialisten sind; in Deutschland FRIEDRICH DER GROSSE, LESSING,
MENDELSSOHN, NICOLAI, REIMARUS, ABBT, GARVE, BAHRDT, FEDER, LICH-
TENBERG u. a. Eine Reaktion zur A. bilden die Anschauungen
HAMANNS, JACOBIS, der Romantiker, zum Teil auch KANTS, der
Rousseau beeinflußt ist, die Selbständigkeit des kritischen Denkens in neuer
Weise legitimiert, aber auch scharf die Rechte des Gemüts und des Glaubens
verficht (s. Vernunft). KANT hat gleichsam die Aufklärung über sich selbst
aufgeklärt und die Grenzen derselben Unter „A." versteht er den
„Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" mit der
Devise: Sapere Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu
(Was ist A.? Monatsschrift, .1784). Vgl. LECKY, Geschichte des
der A. in 1885; DILTHEY, Das natürl. System der Geisteswissen-
schaften im 17. Jahrh., 1892. — Vgl. Sophisten.
s. Regression.
Aufmerksamkeit attentio) ist derjenige Zustand, in
die das erlebende Subjekt auf das Erlebnis eines Inhalts
(mehr oder weniger „konzentriert", einseitig, mit Abwendung, Abhaltung alles
anderen) eingestellt ist, die Sinnes-, Vorstellungs- und Denktätigkeit einem
bestimmten Erlebnisinhalt zuwendet, diesen dadurch bevorzugt, heraushebt,
bewußter, klarer und deutlicher erfaßt oder zu erfassen vermag. Die
A. ist also der subjektive Zustand, dem die „Apperzeption" (im Sinne WUNDTS),
back to the
book Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften