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Axiom.
Axiom fide digna quae negari non potest",
Micraelius, Lex. philos. Sp. 175) ist im Sinn jeder oberste Grundsatz
Erkenntnis; ein Satz, der weder beweisbar ist noch eines Beweises bedarf,
weil er selbst die Grundlage, Voraussetzung jedes Beweises ist und klarer,
notwendiger, evidenter, allgemeiner ist als alles, wodurch er bewiesen
werden soll. Die obersten Grundsätze des logischen Denkens Denkgesetze)
sind Normen, die für Denken a priori (s. d.) gelten, Forderungen, die an
jedes Denken herangebracht werden, Bedingungen des richtigen Denkens, not-
wendige Mittel zur Verwirklichung des Denkziels, gesetzt durch den reinen Denk-
willen. Ebenso sind die Axiome der Erkenntnis Voraussetzungen einheitlich-
allgemeingültiger Erkenntnis, apriorische Postulate des
Erkenntniswillens, der sie an die Erfahrung heranbringt, an der sie sich durch
ihre theoretisch-zweckmäßige Funktion bewähren. Die Axiome im engeren
Sinne, die durch sich selbst gewissen, evidenten Grundsätze der Mathematik
(s. d.) und mathematischen Physik sind Formulierungen von
notwendigkeiten aus und in der Gesetzlichkeit der (begrifflich fixierten und
verarbeiteten) Anschauungsformen von Raum und Zeit (bzw. Bewegung). Sie
-sind von der Einzelerfahrung unabhängig, gelten aber, wie alle Axiome, für
Erfahrung und deren Gegenstände.
Die meisten älteren Denker erblicken in den Grundsätzen der Logik Sätze,
die Wesen des Denkens begründet sind. Nach PLATON muß von dem rela-
tiven Grundsatz zum voraussetzungslosen „Prinzip" (s. d.) zurück-
gegangen werden (Republ. 510 B). ARISTOTELES versteht unter A.
einen nicht zu beweisenden Grundsatz (Analyt. post. I 2, 72 a 14 ff.). Einen
durch sich evidenten Satz verstehen unter A. die Stoiker, Boethius,
die (s. Wahrheit).
Rationalistisch betont die Denknotwendigkeit der logischen Axiome DES-
CARTES („veritas aeterna, quae in nostra habet vocaturque commu-
nis notio sive Princip. philos. I, 49). Evident sind sie auch nach
PASCAL, GALILEI („da per se"), LEIBNIZ, der sie als apriorische (s. d.), von
der Erfahrung unabhängige, potentiell angeborene (s. d.) Wahrheiten
HUME (Enquiry 1), nach welchem es streng notwendige und
gemeine Prinzipien, „selbstevidente Wahrheiten" gibt (Essays on the power II,
ff.) u.
KANTS Kritizismus zeigt, daß es Grundsätze die aus „reiner Vernunft"
entspringen, a priori, unabhängig von aller Erfahrung gelten, aber (im
satz zum Rationalismus) nicht für die „Dinge an sich", sondern nur für mög-
liche Erfahrung und für Erfahrungsobjekte („Erscheinungen"). Im engeren
Sinne versteht KANT unter Axiomen nur „synthetische Grundsätze a priori, so-
fern sie unmittelbar gewiß sind". Solche A. gibt es nur in der Mathematik,
nicht in der Philosophie; dort sind sie möglich, weil die Mathematik „ver-
mittelst der Konstruktion der Begriffe in der Anschauung des Gegenstandes
die Prädikate desselben a priori und unmittelbar verknüpfen kann, z. B. daß drei
Punkte jederzeit in einer Ebene liegen". Während „diskursive" Grundsätze noch
einer „Deduktion" (Rechtfertigung) bedürfen, sind die „intuitiven" Grundsätze
oder Axiome evident. Das „Prinzip der Möglichkeit der Axiome überhaupt"
oder der „A. der Anschauung" lautet: „Alle Anschauungen sind extensive
Größen." Die sind insgesamt Größen, sie als An-
schauungen im oder der Zeit durch dieselbe Synthesis vorgestellt
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften