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Bewegung.
der Ortsveränderung ohne unmittelbar dynamische Grundlage; die wirkliche
ist die methodisch festgestellte, denkend-bestimmte, allgemeingültige,
Standpunkte des einzelnen Beobachters unabhängig gedachte B. Aber
auch die wirkliche B. ist als B., als Ortsveränderung, Lagenwechsel „relativ",
auf einen andern Raumpunkt bezogen; eine „absolute" B. existiert nur
im Denken, Annahme eines festen, als ruhend gedachten Punktes im
Weltraum, auf den andere Bewegungen bezogen werden. Die B. ist als ur-
Bestimmtheit der Körper aufzufassen, denn Ruhe (s. d.) ist nur
B. oder nur relative „Ruhe" (in bezug auf bestimmte Raumpunkte).
Doch darf die B. nicht als etwas von allem Erkennen Unabhängiges betrachtet
werden, aus etwa auch das Psychische hervorgeht (s. Materialismus), denn
noch so komplizierte Bewegungen bleiben räumliche, physische Vorgänge. Die
läßt sich als „Erscheinung", als äußerliche Sichtbarwerdung von „an sich"
Verhältnissen der Wirklichkeiten und deren Wechsel auffassen,
man von einem „Innensein" der Bewegung sprechen kann, analog dem,
wir in uns selber finden, wenn wir uns selbst und andere bewegen.
den (realen) Bewegungen kommen von Relationen der Wirk-
lichkeitsfaktoren zueinander zum Ausdruck, zur „Objektivation".
Im übertragenen Sinne spricht man auch von „B." auf geistigem Gebiete
{Gemütsbewegung, s. Dialektik), auch von sozialer, geschicht-
licher B.
Im Altertum und Mittelalter gilt als der ursprüngliche Zustand vielfach
nicht die Bewegung, sondern die Ruhe. Doch ist nach HERAKLIT und nach
PROTAGORAS alles in beständiger B. und die Ruhe nur Sinnenschein (ARISTO-
TELES, Phys. VIII, 3, 253 b 10) und nach DEMOKRIT ist die geradlinige B.
eine ursprüngliche Eigenschaft der Atome (s. ebenso nach den
Hingegen erklären die (PARMENIDES U. a.) die B. für bloßen
-Schein. So bringt ZENON von eine Reihe von Argumenten gegen die
der B. vor (vgl. ACHILLEUS, vgl. Diog. ARISTOTELES,
Phys. VI, 9, 239 b 33), wogegen ARISTOTELES auf die Verkennung der Stetig-
der Bewegung und der Zeit aufmerksam macht (Phys. VI, 9, 239 b 8;
über die Zenonischen Antinomien äußern sich auch LEIBNIZ, BAYLE, HEGEL,
DÜHRING, TH. GOMPERZ, BERGSON, KÜHNEMANN, Grundl. d. Philos., 1899,
83 ff., u. a.). PLATON unterscheidet qualitative B. und
bewegung und betrachtet die sich selbst bewegende Weltseele (s. d.)
als Prinzip aller kosmischen (Timaeus, 43 ff.). ARISTOTELES
definiert die B. (im allgemeinen Sinne) als Verwirklichung eines Möglichen,
Übergang aus der Potenz (s. d.) die Wirklichkeit xov dvvaxov, dvvaxov,
Phys. III 1, 201 b 4; vgl. III 1, 201 a 10 f.). Es gibt vier (oder
auch sechs) Arten der B. (s. Veränderung), Entstehen und Vergehen, Zu-
und Abnahme, Umwandlung und Ortsveränderung (xlvrjoig xonov,
Phys. III 8, 208 a 31). Sie bedarf keines leeren Raumes (s. d.), sondern
Ortswechsel im erfüllten Phys. VIII 10, 267 a 18). Die
vollkommenste B. ist die dem Äther (s. d.) und eigene Kreis-
bewegung. Der „erste Beweger" ist Gott (s. d.). Im Sinne des ARISTOTELES
lehren die So definiert THOMAS die B. als de potentia
in actum" (Sum. theol. I, 75, vgl. SUAREZ, Metaphys. disputationes, 49, 4).
Vgl. STÖCKL, Lehrbuch d. Philos. 1912,
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften