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Bewegung. 97
Durch die Arbeiten von KOPERNIKUS, KEPLER, GALILEI kommen neue,
exaktere Anschauungen betreffs der B. auf (s. Trägheit). Die mechanische
d.) Naturauffassung macht sich geltend, so bei HOBBES, DESCARTES U. a.
Nach letzterem ist jede B. Veränderung, Übergang eines Körpers aus einem
Orte in einen andern („actio, qua corpus aliquod ex uno in
Princip. philos. II, 23 ff.). Gott hat die B. erschaffen und erhält die „Be-
wegungsgröße" (m. v.) in der konstant (vgl. Kraftmaß). NEWTON defi-
niert die „absolute" B. als Übertragung eines Körpers aus einem absoluten Ort
in einen andern, die B. als Übertragung aus einem relativen in einen
relativen Ort (Naturalis philos. principia mathematica, IV). Die wahre B.
ruht auf Kräften in den Körpern. Nach LEIBNIZ ist B. wirklich, wenn
ihre unmittelbare Ursache im Körper selbst hegt. B. ist Änderung der Lage
(Philos. Hauptschriften I, 58, 243 ff.). Die B. ist nur eine wohlfundierte „Er-
scheinung", das von Kraftimpulsen (s. Materie), deren Träger
immaterielle „Monaden" (s. d,) sind. Nach BERKELEY ist die B. nur ein
Wahrnehmungsinhalt, da es an sich keine Körper gibt (s. Idealismus, Materie);
alle B. ist „relativ" (Principles, 102).
KANT erklärt in seiner vorkritischen Periode ebenfalls jede B. für relativ
(Kleine Schriften zur Naturphilos. II, Gedanken von d. wahren Schätzung
der lebend. Kräfte, 1747, § 4). Später betont er ebenfalls, alle erfahrungsmäßig
konstatierbare B. sei relativ. B. eines Dinges ist „die Veränderung der äußeren
Verhältnisse desselben zu einem gegebenen Raum" (Metaphys. Anfangsgründe
d. Naturwiss., S. 5 ff.). Die B. ist als Begriff eine der „Prädikabilien" (s. d.),
ein „sinnlich bedingter Begriff a priori" (Über die Fortschritte Metaphys.,
Kleine Schriften z. Logik u. Metaphys. 98), kein rein apriorischer Begriff,
weil B. außer den Anschauungsformen Raum und Zeit noch die Wahrnehmung
eines beweglichen Etwas voraussetzt (1. c. S. 3 ff.; Krit. d. rein. Vern., S. 66).
Die B. ist keine den Dingen an sich zukommende Bestimmtheit,. sondern eine
solche, die den Erscheinungen (s. d.) der Dinge als Gegenstände äußerer Er-
fahrung zukommt, insoweit aber notwendig und allgemein, objektiv. — Er-
scheinung oder als objektiven Bewußtseinsinhalt, also nicht als „an sich" seiend,
fassen die B. auf FICHTE, HEGEL, SCHOPENHAUER (S. Wille), HERBART, nach
welchem die B. „natürlicher Schein" ist, da an sich alles Sein beharrt (Metaphys.
§ 295), LOTZE, nach welchem den Bewegungen Innenzustände der
zugrundeliegen (Grdz. d. Naturphilos. 1882, § 5 ff.; § 25), J. H. FICHTE, E. V.
HARTMANN, FECHNER, LIPPS, F. LANGE, SPENCER, nach welchem alle B. in der
Richtung des kleinsten Widerstandes erfolgt (First Principles, § 16), NIETZSCHE,
LIEBMANN, RIEHL (Der philos. Kritizismus, 1879, II 2, 297) u. a.,
WUNDT, der die B. als relative Lageänderung gegebener Raumgebilde definiert
und sie als allgemeine Eigenschaft der Substanzelemente bestimmt (Logik
1893—95, I2, Philos. 1907, S. 116 ff.). fassen
die B. COHEN (Logik, 1902, S. 198 ff.), NATORP, SCHUPPE U. a. auf. — Eine
Realität hat sie nach DESCARTES, HOLBACH, CZOLBE, UEBERWEG,
BÜCHNER, HAECKEL U. a. Vgl. L. LANGE, Die geschichtl. d.
wegungsbegriffs, 1886.
A. TRENDELENBURG versteht unter „Bewegung" das Denken und Sein
Die „konstruktive" B. ist das A priori im Denken und
die „ursprüngliche Tat", welcher die Formen der Erkenntnis, und des
Seins (Raum, Zeit, Materie usw.) entspringen (Log. Untersuch. 1862, ff.;
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften