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Bewußtsein. 101
Das B. gilt in älterer Zeit meist als eine eigene Tätigkeit oder Kraft der
Seele, die zu den Erlebnissen hinzukommt, als innere als eine
Reflexion, ein Wissen, als eine Art inneres Licht, eine Erleuchtung, ein Be-
merken, Unterscheiden u. So bei PLATON (Theaetet 185 D), ARISTOTELES
(s. Gemeinsinn; vgl. De anima III2, 425 b 12), den Stoikern (vgl. BARTH, Die
1908, S. 91), ALEXANDER VON APHRODISIAS GALEN
nagaxoXov&eXv dfj PLOTIN als Reflexion des
Gedankens auf sich selbst; vgl. Enneaden I, 4, 10; IV, AUGUSTINUS (De
libero arbitrio II, 4), THOMAS, LOCKE (vgl. Wahrnehmung, innere) u. a. DES-
CARTES versteht unter B. (conscientia) soviel wie „sich bewußt sein" als un-
trennbare Eigenschaft der Seele, aber auch alles psychische Geschehen („cogi-
tatio" im weitesten Sinne; Princip. philos. I, 9; Respons. VII, § 8: „sunt . . .
actus, quos vocamus cogitativos, ut intelligere, imaginari, sentire etc.,
qui sub ratione communi cogitationis sive perceptionis sive conscientiae
conveniunt"). LEIBNIZ bezeichnet das B. meist als „Apperzeption" (s. d.); diese
ist das B., das Erfassen des inneren Zustandes der Seele („la conscience ou la
connaissance de cet Philos. Schriften, hrsg. von Ger-
hardt, VI, 600). Die Seele hat stets Perzeptionen, apperzipiert aber nicht immer
(s. Unbewußt). Die Perzeption wird bewußt, klar, apperzeptibel durch einen
Zuwachs an Stärke (Nouv. Essais II, K. 9, § 4). Die Monaden (s. d.) unter-
scheiden sich voneinander nur durch die Klarheit und Deutlichkeit ihres Be-
wußtseins, bzw. dadurch, ob sie nur Perzeptionen haben oder (vom Menschen
angefangen) auch bewußte, bemerkte Eindrücke (Begriff des Bewußtseinsgrades).
CHR. WOLFF versteht unter B. das Wissen um unsere Erlebnisse, ein „Ge-
denken", insbesondere ein „Unterscheiden". Wir sind uns bewußt, d. h. „wir
wissen, was wir gedenken". Die Gedanken sind „Veränderungen der Seele,
deren sie sich bewußt ist" Gedanken von Gott, der u. der
Seele des Menschen, 1738, I, § 194 ff., 735, 802). Wir sind uns der Dinge be-
wußt, „wenn wir sie voneinander unterscheiden" (1. c. 1, § 769; Psychol. ration.
§ 10; vgl. auch ULRICI, Leib u. Seele, 1860, S. 293 ff.). Bewußt ist jeder
inhalt als fco auch nach KANT, der aber auch unter B. das Wissende
und das Wissen versteht. Er unterscheidet „Vorstellung" und „Vorstellung
mit Bewußtsein", ferner „empirisches" und „transzendentales" B. (s. den
nächsten Artikel). REINHOLD; versteht unter dem B. das „Bezogenwerden der
bloßen Vorstellung auf Objekt und das Subjekt" und erklärt, das B. sei
von jeder Vorstellung unzertrennlich (Versuch e. neuen Theorie d. menschl. Vor-
1789, 321 ff.).
Als Produkt einer Tätigkeit des absoluten Ich (s. d.) faßt das B. FICHTE
auf (Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, S. 23 ff.). Nach SCHELLING
ist die Wurzel des B. das „ewig Unbewußte"; das B. ist das Produkt einer
Tätigkeit, die nur durch ihr Resultat in das Bewußtsein kommt (WW. I 10,
S. 93). Nach SCHOPENHAUER geht das B. aus dem ursprünglich unbewußten
Willen (s. d.) hervor. Nach HEGEL ist es ein Moment in der dialektischen
Selbstentwicklung der „Idee" (s. Der Geist (s. d.) ist Bewußtsein über-
haupt; das B. ist die Stufe der Reflexion des Geistes (Enzyklopäd., § 412 ff.),
das Bei-sich der Idee, die Beziehung derselben auf sich selbst. Das B. ist nur
das Erscheinen des Geistes, zuerst als sinnliches B. (vgl. Phänomenologie, 1807).
Als Produkt einer an sich selbst unbewußten Tätigkeit gilt das B. J. H.
FICHTE, nach welchem es eine „innere Erleuchtung vorhandener Zustände" ist
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften