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112 Cessante causa — Charakter.
Cessante causa s. causa cessante.
Chaos von ich gähne), der klaffende Abgrund, der leere
der Urzustand des noch ungeformten des wirren, regel-
losen, Durcheinander der Dinge. Der Begriff des „Chaos" kann
für die Kosmologie nur ein Grenzbegriff sein und nur einen relativ ungeord-
neten und undifferenzierten Weltzustand bezeichnen. Von einer Art Chaos
ist die Rede in der Bibel („tohu-wa-bohu" der Erde), in mythischer Weise
hei HESIOD, nach welchem von allem zuerst das „Chaos" entstand, aus dem
und „Nacht" hervorgingen (Theogon. V, 116 ff.). Auch den Or-
(s. d.) gilt das Chaos als ein Urwesen (vgl. Orphica, hrsg. von E. ABEL,
1885). Chaotisch war einst die nach ANAXAGORAS (S. Geist) und PLATON
30 A vgl. dagegen ARISTOTELES (De 2). Von der rohen,
gestaltlosen Masse spricht („rudis indigestaque Metamorphos. I, 7).
— Nach der KANT-LAPLACE'schen Theorie entstanden die Himmelskörper aus
einem „Urnebel" (s. bzw. aus einem Gasball.
Nach NIETZSCHE ist die an sich ein ohne Zwang, ohne über
den Dingen schwebende Gesetze (s. d.). P. MONGRE erbückt in der uns ge-
gebenen einen durch unser Erkennen vollzogenen „Ausschnitt aus dem
gesetzlosen Chaos" (Das Chaos in kosmischer Auslese, 1898). Vgl. LE DANTEC,
Le chaos et universelle, 1911. — Vgl. Kosmos,
s. Ars magna.
Charakter Gepräge, Merkmal; das Wort bedeutet bei THEO-
PHRAST, u. a. soviel wie „Charakterbild"; bei AUGUSTINUS
u. a. ein durch die Sakramente der Seele eingeprägtes Zeichen, später „character
genannt; die jetzige Bedeutung hat „Charakter" seit
Les 1687; vgl. EUCKEN, Geist. Strömungen d. Gegenwart3, 1904,
S. 35 ff.) bedeutet: 1. die Grundbeschaffenheit eines Wesens, die feste Bestimmt-
heit seines Verhaltens, Reagierens, Wirkens, insbesondere die Art und Weise
des Wollens, die individuelle Willensdisposition. In diesem weiteren Sinne
gibt es festen und schwankenden Charakter; 2. bedeutet Ch. eine besondere
die Fähigkeit des festen, sicheren, entschiedenen,
stetigen, zähen, ausdauernden, konsequenten, unerschütterlichen Wollens, die
Fähigkeit, den Willen durch feste Grundsätze zu leiten und von diesen Grund-
sätzen nicht oder nicht leicht, nicht ohne Not abzuweichen. Ein solcher
Charakter kann, auch wenn die Charakterstärke als solche gefällt, böse sein;
ein „guter", sittlicher Charakter ist gut durch die Beschaffenheit der Grund-
sätze, denen er gehorcht. Der Charakter überhaupt beruht auf ererbten An-
lagen, die aber durch die Umwelt (das „Milieu"), durch Erziehung und Selbst-
zucht mehr oder weniger modifiziert, gesteigert werden können, wofern nicht
ungünstige Einwirkungen die Charakteranlage verderben. „Unveränderlich" ist
der Charakter nur in gewissen (z. T. pathologischen) Fällen, wenn auch wohl
immer ein gewisser Grundzug der Willensreaktion verbleibt. Von den an-
geborenen Charakteranlagen ist der erworbene Ch. zu unterscheiden, der z. T.
durch die eigene Betätigung des Ich, oft im harten Kampfe mit sich selbst,
mit verschiedenen Trieben, Leidenschaften usw. zustandekommt (Einfluß der
Übung, der Disziplin, des Willens auf den Ch.). „Charakterlos" ist der, dessen
Wollen und Handeln ohne Stetigkeit und Konsequenz oder
auch derjenige, der eine niedrige Gesinnung, Mangel an sittlicher Würde zeigt.
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften