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Sinn. 607
Sinn (sensus), psychologisch, bedeutet 1. die Gemütsart, eines
2. die Empfänglichkeit, das Verständnis für etwas; 3. die Fähigkeit
Wesens, vermittelst gewisser Vorrichtungen (Sinnesorgane), die durch
(s. d.) erregt werden, auf diese Reize mit Empfindungen (s. d.) zu reagieren.
Der ursprünglichste Sinn ist der Hautsinn, aus dem sich durch Differenzierung
durch Anpassung an die besonderen Reize (s. Energie) die spezifischen
entwickelt haben. Bei etwas höheren Organismen bestehen neben besonderen
Sinnesorganen auch Sinnesnerven, welche die Eindrücke der zu
Nervenzentren (Ganglien, Gehirn) leiten. Von den mechanischen Sinnen
(Tastsinn, Gehör) unterscheiden sich die chemischen Sinne (Geruch, Ge-
schmack, Gesicht) dadurch, daß bei den letzteren in den Sinnesorganen
physiologische „Transformation" stattfindet (vgl. 'WUNDT, Grdz. d. phys.
Psychol. I6, 1908, ff.; Grundr. d. Psychol.5, 1902, S. 47 ff.). Der
meine Sinn (Hautsinn) umfaßt eine Reihe von Empfindungsfunktionen (vgl.
Tastsinn, Temperatursinn, Muskelempfindung usw.; ferner: Gemeinempfindung,
Schmerz). Die Sinne spielen zunächst eine wichtige biologische Rolle,
dienen der Lebenserhaltung, lassen den Organismus in zweckmäßiger Weise
auf die Verschiedenheit der äußeren Bedingungen Sinne sind,
bei den Tieren wenigstens, ein Mittel für den liefern
die Sinne das Empfindungsmaterial als eine Summe von für die Vor-
gänge, die dynamisch-energetischen Veränderungen in der Außenwelt; auf
Grund dieses Materials, welches denkend verarbeitet wird, gelangen wir
Erkenntnis der Relationen der Dinge, ohne daß aber etwa alle Begriffe aus
den Sinnen stammen (s. A priori) und ohne daß wir bei dem sinnlich
stehen bleiben (s. Erkenntnis).
Der Scholastik gilt der Sinn als eine „passive Potenz", die von
erregt wird; der Sinn geht aufs Einzelne, nicht aufs Allgemeine (THOMAS
AQUINO, Sum. theol. I, 78, 3; I, 79, 1 f.; Contr. gent. II, 66). — Die bio-
logische Funktion der Sinne, welche hauptsächlich das dem Leibe
und Schädliche anzeigen, betont DESCARTES (Princip. philos. II, 3);
FOUILLEE, Psychol. des I, 5, 1896, NIETZSCHE, F.
Sprachkritik I, 1901, 296 ff.: unsere Sinne sind „Zufallssinne", u. a. Nach
LEIBNIZ gewähren die Sinne nur „verworrene" Erkenntnis. Nach KANT
der S. nur „Rezeptivität" (s. d.), er verhält rein passiv. S. ist das „Ver-
mögen der Anschauung in der Gegenwart des Gegenstandes". Es gibt
Sinne und einen „innern Sinn" (s. Wahrnehmung; vgl. Sinnlichkeit, An-
schauungsform).
Mit bestimmten Elementen, bzw. mit Naturprozessen parallelisieren
Sinne ARISTOTELES (De sens. 2; De anima III, SCHELLING (WW. I, 7,
248, 453), KESSLER (Über die Natur der Sinne, 1805) u. a.
Nach F. A. LANGE sind die Sinne „Abstraktionsapparate" und geben
subjektive Erkenntnis, Erscheinungen; die Sinnesorgane selbst sind nur Er-
scheinungen (Gesch. des Materialismus — Vgl. SCHOPENHAUER, Die
als WiUe u. Vorstellung, IL Bd., K. 3; SPENCER, Psychol. I, 1882 ff., § 139;
, L. GEORGE, Die fünf Sinne, 1846; PREYER, Die fünf Sinne des
1870; BERNSTEIN, Die fünf Sinne des Menschen2, 1889; KREIBIG, Die
Sinne des Menschen2, 1907; BRENTANO, zur
1907; MANGOLD, Unsere Sinnesorgane, 1909; JODL, Lehrb. d. Psychol.,
ff.; JERUSALEM, Lehrb. d. Psychol.4, 1907; Laura 1890;
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften