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Sprache.
— Daß S. und Rezeptivität zusammengehören oder nur graduell verschieden
sind, betonen SCHLEIERMACHER, HÖFFDING, FOUILLEE, JODL, RIEHL,
WUNDT U. a. (s. Aktivität). Vgl. Willensfreiheit, Gesetz
schauung, Denken.
ist ein Inbegriff von Zeichen für Erlebnisse innerer
wie für Objekte solcher. Im weiteren Sinne ist S. jeder Ausdruck seelischer
Erlebnisse (Gefühle, Bedürfnisse, Strebungen, Vorstellungen) und eine
S. findet sich schon bei den meisten Tieren; zu ihr gehört die Mienen-
Gebärdensprache, welche u. a. auch Lautgebärden einschließt. Im
Sinne ist die S. Wortsprache, ein System artikulierter Laute (Wörter, Sätze),
als Ausdruck von psychischen Erlebnissen und Gedanken und als
von Objekten; sie enthält eine mehr oder weniger eindeutige (manchmal
schwankende) Zuordnung von Lautkomplexen zu Vorstellungen und deren
Gegenständen, eine Verknüpfung von Lautvorstellungen und
(s. d.). Diese Zuordnung geht aus naturgemäßen, gleichartigen spontanen
aktionen der Menschen auf die Dinge und deren Eindrücke hervor, wird dann
aber im einzelnen willkürlich und konventionell und ist ethnisch,
sozial, historisch bedingt und wechselnd. Ein Laut- und Bedeutungswandel
findet statt, dem teils physiologische, teils psychologische
zugrundeliegen und der es nicht gestattet, die Struktur der S. rein logisch
erklären. In ihren Anfängen ist die S. reine Ausdrucksbewegung (s.
mit starkem Gefühlscharakter („pathognomische Sprachperiode"), sie ent-
springt dem Ausdrucksbedürfnis, mit dem sich dann das
und dann auch das Streben nach geistiger Beherrschung der Dinge
Durch Ablösung von der emotionalen Grundlage und aktive (apperzeptive) will-
kürliche, zweckmäßige Verwendung (vgl. Heterogonie der Zwecke) wird die
zu einem Zeichensystem als Verkörperung, Fixierung des Denkens und der
Erkenntnis und zugleich als Mittel zum logisch
sammenhängenden Denken und zu umfassender Erkenntnis. Der S. geht
primäres, konkretes, anschauliches Denken vorher, das mittelst der
d. h. des formulierten Denkens sich zum abstrakten Denken entwickelt (vgl.
B. ERDMANN, Logik I2, 1907, 42, 307 ff.). Die S. ist ein soziales Gebilde, in-
sofern sie innerhalb sozialer Gruppen entsteht, die Gleichartigkeit des
lebens und der Erfahrungen jener als Verständnisgrundlage voraussetzt und
selbst ein Faktor des sozialen Zusammenlebens ist; in ihr verdichtet sich
soziale und nationale Denken und Werten. Dem Individuum ist nur
Sprachfähigkeit angeboren, als Besitz der Sprachzentren (des motorischen,
BROCAschen Zentrums im hintern Drittel der dritten und
sensorischen, Zentrums in den beiden hinteren Dritteln der ersten
Schläfenwindung), der Werkzeuge, bestimmter Reflexkoordinationen und
Bedürfnisse. Das Kind lernt bald unter dem seiner Umgebung
Lautgebärden zu Worten und Sätzen verwerten, sie mit Vorstellungen und Ob-
jekten assoziieren, sie zu verstehen und willkürlich zu gebrauchen. Durch
Zerstörungen oder Hemmungen in den Sprachzentren entstehen
Sprachstörungen (s. Aphasie, Paraphasie).
Betreffs des Ursprungs der S. bestehen verschiedene 1. Nach
der religiösen (bzw. „traditionalistischen") Theorie ist die S. durch Gott dem
Menschen anerschaffen oder geoffenbart worden (SÜSSMILCH, Beweis .. .,
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften