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Handwörterbuch der Philosophie
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Staunen — Stetigkeit. 645 Staunen (Verwunderung) s. Philosophie (Platon, Aristoteles; vgl. JERU- SALEM, Lehrb. der Psychol.4, 1907 („theoretisches Staunen"). Stauung: Nach LIPPS gibt es ein Gesetz der „psychischen Stauung", wonach die Quantität eines psychischen Geschehens sich steigert, wenn es in seinem Fortgange gehemmt wird (Leitfaden der S. 109 ff., 342 ff.; 3. A. 1909). Stetigkeit oder Kontinuität (continuitas, ist fortlaufender, ununterbrochener, lückenloser Zusammenhang oder Übergang, Stetig sind Vorgänge, Prozesse oder Mannigfaltigkeiten, Größen, und zwar jene, welche sich um unendlich kleine Unterschiede vermehren und vermindern lassen. Solche Kontinua sind Raum und Zeit, die als das Unendliche teilbar gedacht werden können. Die Zahl (s. d.) ist eine nicht stetige, diskrete Größe, aber durch die irrationalen Zahlen läßt sich eine stetige Zahlenreihe herstellen, wenn man dazu die Stetigkeit des identischen methodischen Denkverfahrens berück- sichtigt. Hier wie auch sonst zum Teil beruht die S. auf der Einheit des Denkens, die das Gesetz für die Zahlenreihe liefert (vgl. NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten Wissenschaften, 1910, S. ff.: Die St. als „quali- tative Allheit, die jeder quantitativen logisch vorausliegt und sie erst mög- lich macht"). Die S. ist ein Postulat des Denkens, als einheitlicher Zusammen- hang ein oberstes Denkziel; das Denken hat die Tendenz, das Diskrete oder durch analysierendes Denken kontinuierlich zu machen, durch „Kunstgriffe" dem Stetigen so anzunähern, daß es methodisch so behandelt werden kann, als ob es ursprünglich stetig wäre (s. Unendlich, Fiktion). Die ursprüngliche S. liegt vor in der Anschauung als Fehlen bewußter Diskretheit und vor allem im einheitlichen Zusammenhange des Bewußtseins, des stetigen Ablaufs psychischer Erlebnisse (vgl. Seele, Ich). Kontinuität und Diskonti- nuität ergänzen einander so, wie Analyse und Synthese. Das Postulat der S. bekundet sich in der ganzen Geschichte der Wissenschaft, insbesondere auch in der Entwicklungsidee. Das Stetige definiert zuerst ARISTOTELES als dasjenige, dessen Teile durch gemeinsame Grenzen verbunden sind (Metaphys. XI 12, 1069 a 5 ff.). Es ist das ins Unendliche Teilbare (De coelo 1 1, 268 a 6). Ähnlich die Scholastiker. Besondere Bedeutung hat die S. für LEIBNIZ (Differentialrechnung). Das „Ge- setz der S." de besagt, daß es in der Natur keine Lücke, keinen Sprung gibt, daß alles durch Übergänge nach unten und oben ver- bunden ist („Tout va par dans la nature et rien par saut" (Nouv. Essais IV, K. 16; Mathem. Schriften VI, 129 ff.). S. herrscht in der Sukzession in der Koexistenz. Die Aufeinanderfolge der Zustände der „Monaden" (s. d.) ist stetig-gesetzmäßig, durchläuft alle Grade („lex continuitatis seriei operationum"). Der Satz der Kontinuität hängt mit dem Prinzip des zureichen- den Grundes zusammen (Philos. Hauptschr. II, 75 ff.; I, 63 ff., 103 f., 319 ff.; vgl. CHR. WOLFF, Vernunft. Gedanken von Gott . . . I, § Ontolog. § 554). Nach KANT ist S. die „Eigenschaft der Größen, nach welcher an ihnen kein Teil der (kein Teil einfach) ist". Raum und Zeit sind continua", weil „kein Teil derselben werden kann, ohne zwischen Grenzen (Punkten und Augenblicken) einzuschließen, mithin nur so, daß dieser Teil wiederum ein Raum oder eine Zeit ist". Es sind das „fließende" Größen, weil die „Synthesis" in ihrer Erzeugung ein Fortgang in der stetig
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Handwörterbuch der Philosophie
Title
Handwörterbuch der Philosophie
Author
Rudolf Eisler
Publisher
ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
Location
Berlin
Date
1913
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
Size
12.7 x 21.4 cm
Pages
807
Keywords
Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
Category
Geisteswissenschaften
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