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Substanz. 657
hatten fs. Gott), so gibt es nach SPINOZA nur eine einzige, absolute, unendliche,
allen Dingen als den ihrer „Attribute" (s. d.) zugrundeliegende, zugleich
ausgedehnte und „denkende" Substanz, die er Gott (s. d.) oder Natur (s. d.) nennt
und deren Wesen ihre Existenz einschließt (s. Causa sui). S. ist „das, was in sich
ist und durch sich erfaßt wird, dessen Begriff also nicht des Begriffes eines
andern bedarf („per substantiam id, quod in se est et per se concipitur;
hoc est id, cuius conceptus non indiget conceptus alterius rei, a quo formari
debeat", Eth. I, prop. Die hat das logische Prius vor ihren Attributen
und Modis (1. c. prop. vgl. prop. V, VIII, XII ff.; vgl. De Deo I, es kann
nicht mehrere Substanzen geben). Von der einen, absoluten S. sprechen später
in verschiedener Weise FICHTE (das absolute „Ich" als „allumfassende" S., die
freilich bloß eine Tätigkeit ist), SCHELLING (WW. I 2, 199; I 4, 244), HEGEL
(Logik III, 7, s. Subjekt) u. a., PLANCK (Die Weltalter, 1850, I, 101), A.
A. STEUDEL (Philos., 1871 ff., 313 ff.), H.BENDER, M.L.STERN,
DILLES U. a. (s. Gott, Pantheismus), PETRONIEVICS (qualitätslose, unwandel-
bare unendliche S.; Prinzip der Metaphys. I 1, 1904; I 2, 1912) u. a. Nach
HAECKEL gibt es nur eine Weltsubstanz, welche psychisch und physisch zu-
gleich ist (Welträtsel, S. 245 ff.; vgl. aber Atom). Er vertritt den „pykno-
tischen" Substanzbegriff (wie J. G. VOGT; S. Materie).
Eine unendliche Vielheit einfacher, immaterieller, seelenartiger Substanzen
(Monaden, s. d.) gibt es hingegen nach LEIBNIZ. Freilich sind sie Aus-
strahlungen („fulgurations") der göttlichen Monade, also nicht absolut selb-
ständig, wenn auch voneinander vollkommen abgeschlossen. Das Wesen der
S. ist aber die aktive Kraft (s. d.), die S. ist ein „wirkungsfähiges Wesen"
capable und als solches unzerstörbar. Die Körper (s. d.) sind
nur Aggregate von einfachen Substanzen („substantiata") und Erscheinungen
dieser, deren Natur eine ist, etwas dem Ich Analoges.
Rein erkenntniskritisch aufgefaßt ist die S. die dauernde Einheit und Gesetz-
lichkeit einer Veränderungsreihe (Werke, Gerhardt I, 139 ff.; IV,
427 ff.; VI, 579 ff.; Nouv. Essais II, K. 23; Philos. Hauptschriften II, 143 ff.,
292 f., 423 ff.). Als dauernde Grundlage der Veränderungen definiert die S.
CHR. WOLFF („subiectum perdurabile et modificabile dicitur substantia", Onto-
log. § 768 ff.).
Als den an sich unbekannten Träger von Eigenschaften („unknown sub-
bestimmt die S. LOCKE. Was in Wahrheit eine Verbindung von
Vorstellungen ist, belegen wir mit einem Namen und weil wir uns nicht
vorstellen können, daß die einfachen Vorstellungen sich subsistieren können,
gewöhnen wir uns daran, ein Substrat derselben anzunehmen, „in dem sie be-
stehen und von dem sie ausgehen" (Essay concern. hum. understand. II, K. 23,
1 ff.; § 16 ff.; K. 13, § 17 f.; IV, K. 6, § 7). Während nun auch nach
MAUPERTUIS, BONNET U. a. das Wesen der Substanzen unerkennbar ist, lehrt
BERKELEY, es gäbe nur immaterielle Substanzen (Gott, Seelen), in welchen die
Dinge (als Ideen, Vorstellungen) existieren (Principles VII, XVI ff.; vgl. Ding,
Materie). HUME erklärt die S. für eine Fiktion der Einbildungskraft.
Gegeben sind stets nur relativ konstante Komplexe von Eigenschaften, bzw.
Perzeptionen, die durch die Einbildungskraft vereinigt und die oft auf ein
unbekanntes Etwas bezogen werden. In Wahrheit bedürfen die Perzeptionen
keiner S., sondern bestehen selbständig (Treatise I, sct. 6; IV, sct. 3: sct. 5; s.
Aktualismus). — Daß die (absolute) S. nur eine (zweckmäßige) Fiktion ist, lehren
Handwörterbuch. 42
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften