Page - 705 - in Handwörterbuch der Philosophie
Image of the Page - 705 -
Text of the Page - 705 -
Ursache. 705
Geschehen in der Natur läßt sich als ein System voneinander abhängiger und
geregelter Reaktionen relativ selbständiger und permanenter Einheiten (s. Sub-
stanz) nur so erreicht das Denken einheitlich geordneten Zusammen-
hang möglicher Erfahrungsinhalte, nur so wird das Geschehen logisiert, be-
greiflich und zugleich theoretisch-praktisch beherrschbar, berechenbar. Die
(s. d.) im physischen Kausalnexus ist ein empirisch erfüllbares
Postulat des Erkenntniswillens. Daß nichts ohne Ursache geschieht oder sich
verändert, ist ein a priori gültiger Grundsatz (s. Kausalität). Das Ich selbst
findet und setzt sich als durch seine Veränderungen
die unausbleiblich eintreten, und zugleich findet es sich durch die eigenen
und durch fremde Tätigkeiten unweigerlich modifiziert.
Im weiteren Sinne wird zuerst verschiedentlich bestimmt (s. Prinzip) und
oft mit dem Grund (s. d.) verquickt. ARISTOTELES bezeichnet als U. den Stoff
(das, woraus etwas wird) oder die Form (s. d.), den Grund der Wesenheit eines
Dinges (6 Xoyog xov xl ferner den Grund der Veränderung, auch den
Zweck (Metaphys. V 2, 1013 a 24 ff.). Verschiedene Arten von Ursachen
unterscheiden die Stoiker (vgl. Sextus Empir., Pyrrhon. hypot. III, 15;
SENECA, Epist. 65, 14; 87, ferner die Scholastiker (s. causa). U. ist
das, worauf etwas notwendig erfolgt (schon BOETHIUS; vgl. THOMAS, Sum.
theol. II, 75, 1 ob. 2). Nach SUAREZ ist U. ein das Sein in ein Anderes „ein-
Prinzip (Met. disput. 12, sct. Daß in der U. mindestens so viel
„Realität" sein müsse wie in der Wirkung, betont noch DESCARTES (Meditat.
III). Als wahre U. alles Geschehens betrachten die (s. d.) und
SPTNOZA (S. causa sui, Kausalität) Gott (vgl. über LEIBNIZ: Harmonie). Nach
CHR. WOLFF ist U. „ein Ding, welches den Grund von einem andern in sich
enthält" Gedanken von Gott . . . I, § vgl. § 120).
Nach LOCKE ist U., was macht, daß etwas anderes zu sein beginnt (Essay
concern. hum. understand. II, K. 26, § 1 f.). HUME, der den subjektiv-psycho-
logischen Ursprung der Kausalität (s. d.) lehrt, führt die Ursächlichkeit auf
regelmäßige Sukzession zurück. U. ist ein Gegenstand, dem ein anderer folgt,
so daß, wenn das Erste nicht gewesen wäre, das Zweite niemals hätte ent-
stehen können; hierbei nötigt die Vorstellung des einen Gegenstandes, die Vor-
stellung des andern zu erzeugen (Enquiry VII, 2; Treatise, sct. 14). Jede U.
ist ein Geschehen (so schon HOBBES, De corpore C. 9 f., SPINOZA, BERKELEY).
KANT, nach welchem die Kausalität (s. d.) eine apriorische Denkform ist,
bestimmt den Kausalnexus als „besondere Art der Synthesis . . ., da auf etwas
A was ganz verschiedenes B nach einer Regel gesetzt wird". Ein A ist so zu
setzen, daß „ein anderes B notwendig und nach einer schlechthin allgemeinen
Regel folge". Nur dadurch, daß wir die Folge der Erscheinungen dem
Gesetze der Kausalität unterwerfen, sie nach einer festen Regel ordnen,
ist objektiver Erfahrungszusammenhang (s. Analogien). „Wenn
wir also erfahren, daß etwas geschieht, so setzen wir dabei jederzeit
voraus, daß irgend etwas vorausgeht, worauf es nach einer Regel folgt" (vgl.
Gesetz, Grund, Regel, Objektiv). Das einzige empirische Kriterium des
nexus ist die Zeitfolge, mag auch die Zeit zwischen Ursache und Wirkung ver-
es kommt nur „auf die Ordnung der Zeit, und nicht auf den
Ablauf derselben" an. Der größte Teil der Ursachen ist mit ihren Wirkungen
zugleich; nur kann die Ursache nicht ihre ganze Wirkung in einem Augen-
blicke verrichten (Krit. d. rein. Vern., S. 107 ff.; Prolegomena, § 53). VgL
Handwörterbuch. 45
back to the
book Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften