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714 Veränderung.
der Form, Ortes (Ortsveränderung, s. Bewegung), der Re-
lation zu anderen Dingen, der substantiellen Struktur selbst. V. und Be-
harrung Korrelate; das Denken setzt an der Hand des
materials beharrende Einheiten (Konstanten, Substanzen) und bezieht auf
den Wechsel der Bestimmtheiten in Raum und Zeit, so, daß im Wechsel
bleibt, was „sich verändert" (verschiedene Bestimmtheiten annimmt).
Bei der bloßen Veränderung bleiben die qualitativen Bestimmtheiten er-
halten, bei der qualitativen V. erhält sich Komplex von Elementen oder
Faktoren (von Reaktionszentren und Reaktionen). Das Stetigkeitsprinzip führt
sichtbare V. auf unendlich kleine (infinitesimale) Veränderungsmomente
zurück. Physikalisch-chemisch lassen sich die Veränderungen der Dinge als
immer neue Gruppierungen ihrer Teile bzw. als immer neue Umsetzungen von
Energien in andere auffassen und berechnen. Psychischen ist die V. eine
qualitative und intensive, es gibt hier nur relativ Beharrliches innerhalb eines
stetigen Entwicklungsprozesses (vgl. Ich, Aktualität). Mag auch, metaphysisch
betrachtet, die V. das absolute Sein als unendliche Einheit und Totalität nicht
betreffen, so muß doch die als zeitlicher Vorgang erscheinende V. oder aber
Existenz von Subjekten, für welche Veränderung besteht, im
„An sich" eine Grundlage haben.
Während nach alles sich ständig verändert (s. Werden), ist
nach den Eleaten die V. nur Schein; das Seiende beharrt unveränderlich
Sein). — Auf die Verbindung und Trennung beharrender Teile führen die
V. zurück ANAXAGORAS (S. Homoeomerien), EMPEDOKLES xe xe
kein Entstehen und Vergehen), DEMOKRIT, EPIKUR (S. Atom). —
Nach PLATON sind die Sinnendinge in beständiger Veränderung, die „Ideen"
(s. d.) hingegen, die ewigen Urbilder der Erscheinungen, unwandelbar (Phaedon
78 C f.; Philebus 58 f.). Nach ARISTOTELES sind Materie (s. d.) und Form
d.) die beharrlichen Grundlagen der V. (Metaphys. XI 2, 1069 b 9 ff.). Die
V. oder Bewegung (s. d.) im allgemeinsten Sinne ist die Verwirklichung eines
der Potenz nach Seienden (Phys. III 1, 210 a 10). Es gibt vier Arten
der V.: Ortsveränderung, quantitative xal qualitative (xlvrjoig
xb substantielle V. De coelo I 3, 270 a Phys.
III 1, 201 a 9 III 3, 202 a 22 ff.; V 1, 224 a 21 ff.). Stoikern
beharrt in der V. das Wesen Stob. Eclog. I, 434). — Über die scho-
lastische Auffassung vgl. STÖCKL, Lehrb. d. Philos. II8, 1912. VgL
Dauer, Bewegung, Gott.
In der V. beharrt das Wesen nach CHR. WOLFF Gedanken von
'Gott . . . I, § 107 f.). Die Korrelation von V. und Beharrung (s. d.) lehrt ferner
KANT. „Veränderung ist eine Art, zu existieren, welche auf eine andere Art zu
-existieren ebendesselben Gegenstandes erfolget. Daher ist alles, was sich verändert,
bleibend, und nur sein Zustand wechselt. Da dieser Wechsel also nur
Bestimmungen trifft, die aufhören oder auch anheben können, so können
wir . . . sagen: nur das Beharrliche (die Substanz) wird verändert, das Wandel-
erleidet keine Veränderung, sondern einen Wechsel, da einige
aufhören und andere anheben." Veränderung kann daher nur an
Substanzen wahrgenommen werden, das absolute Werden ist kein Gegenstand
möglicher Wahrnehmung (Krit. d. rein. Vern., S. 179 ff., 194 f., 219). Vgl.
Logik, 1902, S. 187 NATORP, Die logischen Grundlagen der exakten
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften