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Voluntarismus. 727
Philos., 1883, und ist von PAULSEN angewandt und verbreitet worden) ist,
allgemein, die Betonung der Rolle des Willens als Prinzip, Faktor, Bedingung.
Gegenüber dem Intellektualismus (s. d.) betrachtet der psychologische V.
{s. Psychologie) das Wollen (nebst dem Fühlen) als etwas Primäres, aus bloßen
Empfindungen,' Vorstellungen, Denkprozessen nicht Ableitbares und als von
Anfang für das Seelische bestimmend, richtunggebend. Der psychologische V.
tritt in zwei Formen auf; der extreme V. betrachtet den Willen (im weiteren
Sinne) als einfache, elementare Tätigkeit, die dem Bewußtsein vorangeht und
aus der die anderen seelischen Funktionen hervorgehen, während der ge-
mäßigte V. den Willen (s. d.) zwar als ursprünglichen, spezifischen, aber nicht
als absolut einfachen Akt, sondern als einen Empfindung (bzw. Vorstellung)
und Gefühl als Momente einschließenden Vorgang bestimmt, als qualitativ
Bewußtseinsablauf, der als Einheit „Wollen" (Streben, Wahl usw.)
ist. Für den V. nun ist das, einen „selektorischen" Charakter aufweisende,
Bewußtsein von Anfang an strebend; schon das erste Empfinden, Wahrnehmen,
Aufmerken, sich schon das niederste Seelenleben ist von Trieben
(s. dumpfen Strebungen geleitet, wenn auch der eigentliche, d. h. kom-
plexe Wille erst später auftritt. An der ganzen Entwicklung (s. d.) der Lebe-
wesen hat das Streben Anteil, es bekundet sich im „Leben" (s. d.) schlechthin.
Der Intellekt (s. d.) selbst ist durch den Willen bestimmt, dieser ist der Motor
des Denkens (s. d.), das Richtunggebende für die Herstellung von Vor-
teils reaktiv-triebhaft (s. Assoziation), teils
willkürlich (s. Apperzeption), als Denkwille, der sich sachlich, objektiv leiten
läßt und auf das Wahre, Objektive (s. d.) hinzielt, indem er so die alogischen
und antilogischen Affekte, Neigungen, Triebe hemmt (vgl. Subjektiv). Und
so ist der Voluntarismus,
er auch in einer biologisch-pragmatistischen Form auftreten (s. Prag-
matismus, Wahrheit) oder auch ethisierend den Primat der
sittlichen Vernunft betonen, logistisch durchführbar („transzendentaler"
Voluntarismus), indem er den reinen Denk- und Erkenntniswillen,
den Willen zu einheitlich-allgemeingültigem Zusammenhang der Denk- und
Erfahrungsinhalte zum obersten Prinzip, zur geistigen Wurzel der Wahrheits-
und Wirklichkeitssetzung selbst macht. Nicht meint dies
der „voluntaristische Kritizismus" (als „voluntaristischer Logismus"), er geht
nicht bloß auf den psychischen Vorgang des Wollens als Ursache zurück,
sondern findet als obersten, „transzendentalen" (s. d.) Grund den
die das ideale Willens ziel des „einheitlichen
Zusammenhangs", das in den „Kategorien" (s. d.) und „Grundsätzen" (s. d.)
sich — an der Hand des Erfahrungsmaterials und im geschichtlichen Pro-
zeß wissenschaftlicher Methodik — spezifiziert und verwirklicht. Durch
die oberste des theoretischen, transzendentalen Willenszieles sind
alle logischen und apriorischen Geltungen bedingt, mitgesetzt, legitimiert,
wenngleich sie sich nicht aus ihr im vorhinein deduzieren lassen (vgl. EISLER,
in die Erkenntnistheorie, 1907; Grundlagen der Philosophie des
Geisteslebens, 1908; s. Wille, Axiom, Denkgesetz, Logik, Einheit, Postulat,
Wahrheit, Norm,
Der metaphysische V. erblickt im Willen (oder Streben) das „Ding an
sich" oder doch den innersten Kern, das „Für sich" alles Wirklichen, aller Dinge,
das einheitliche Prinzip, dessen Erscheinung, Ausdruck, Objektivation
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften