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732 Vorstellung.
der Reflexion, ein Wollen, dessen Verwirklichung noch suspendiert ist, das
aber „determinierende Tendenzen" hinterläßt, Dispositionen zu bestimmten Be-
wußtseinsabläufen (vgl. N. ACH, Die Willenstätigkeit u. das Denken, 1905).
Vgl. ARISTOTELES, Eth. Nicom. III, 4; VOLKMANN, Lehrb. d. Psychol.
1894/95, 460; COHEN, 1907, S. 328. VgL Absicht.
Vorstellung (cpavxaola, repraesentatio, idea) bedeutet sowohl den Vor-
gang des das Auftreten eines Vorstellungsinhalts in einem Be-
wußtsein, das Zustandekommen eines solchen durch einen psychischen
Prozeß der Verbindung elementarer Bewußtseinsvorgänge, als auch den Vor-
sinhalt als solchen, als in der Abstraktion vom
vorgang unterschiedenen, nicht real getrennten Erlebniskomplex; endlich
ist noch zum Teil das „Vorgestellte" als Vorstellungsgegenstand zu
unterscheiden, d. h. als das Objekt (s. d.), welches durch die Vorstellung ver-
treten, repräsentiert wird, auf welches diese hinweist, auf welche als feste, all-
Einheit das Denken die jeweilige, wechselnde, subjektiv
variierende V. bezieht (s. Gegenstand, Inhalt). — Ferner bedeutet V. teils die
bloße Erinnerungs- oder Phantasievorstellung, kurz die reproduzierte V.,
teils diese sowohl als auch die Wahrnehmungsvorstellung, wie sie
unmittelbar als Komplex von Empfindungen (s. d.), ihren „Elementen", auf-
tritt, nicht ohne Reproduktionselemente einzuschließen. Die V. ist ein psy-
chisches Gebilde, das Produkt einer Synthese (s. d.), aber nichts absolut Be-
harrendes und Selbständiges und von selbst Tätiges (s. Assoziation, Apperzep-
tion), sondern die Vorstellungen sind Phasen des fortlaufenden
zusammenhanges und Momente von Prozessen, die als einheitliche, totale Ab-
läufe Vorgänge (s. d.) sind. V., Gefühl und Streben bilden ein Ganzes
und wirken nur als ein solches, als Inhalt der einheitlichen
aktivität, die (triebhaft oder willentlich) Verbindungen, Gliederungen, Ord-
nungen herstellt (s. Denken, Synthese, Einheit). Die Erinnerungsvorstellung
ist nicht ein unbewußt bereitliegendes, gelegentlich auftauchendes Bild, sondern
ein neues Gebilde, das infolge psychisch-physischer Dispositionen (s. d.) als
Wirkung ursprünglicher Wahrnehmungsvorgänge zustandekommt (s. Ge-
dächtnis, Reproduktion, Unbewußt, Hemmung). Die Erinnerungsvorstellungen
sind in der (aber nicht immer; s. Halluzination, Illusion, Traum)
weniger lebhaft (blasser) und intensiv als die Wahrnehmungsvorstellungen
und enthalten gewöhnlich weniger Bestandteile; sie sind stets mehr oder
weniger modifiziert (vgl. Phantasie), qualitativ aber doch stets auf voran-
gegangene Wahrnehmungen oder Wahrnehmungselemente bezogen. Durch
das Denken d.) wird das auf Anlaß der Sinnesreize erworbene
material aktiv verarbeitet (vgl. Begriff, Urteil). Erkenntnistheoretisch sind die
peripherisch ausgelösten Vorstellungen als Zeichen für die Objekte (s. d.), die
objektiven Zusammenhänge möglicher Vorstellungsinhalte selbst aber als
Repräsentanten relativ transzendenter Faktoren, als Signale für das wech-
selnde Verhalten dieser zu den anzusehen (vgl. Transzendent,
Ding).
Im engeren Sinne als reproduziertes Gebilde wird die V. (cpavxaola) erörtert
von PLATON, ARISTOTELES, der sie als seelische Nachwirkung der Wahr-
nehmung bestimmt (De anima III 3, 428 b 11; 429 a 1 ff.). Die Stoiker be-
stimmen die V. im weiteren Sinne als einen „Abdruck in der Seele,
als Modifikation als Zustand (nd'&og) derselben, der zugleich
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften