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736 Wahrheit.
Erfahrungsmaterials bestimmt werden muß, wie es die Gesetzlichkeit
-des Logischen, Apriorischen in ihrer Anwendung auf be-
stimmtes Erfahrungsmaterial verlangt, bedingt. Das Urteil ist also
wahr, gültig, wenn das „ist", „ist so", die im Urteil gesetzte Bestimmtheit und
durch das zu Beurteilende gleichsam gefordert ist. Daß dem so
ist, daß eine wahr ist, zeigt sich durch die „Bewährung" derselben
im Denkzusammenhange oder im Erfahrungszusammenhange, indem sie diesem
nicht nur nicht widerspricht (entgegen ist), sondern sich ihm harmonisch ein-
und mit dem Forderungscharakter konstant behaftet bleibt. Hierbei ist die
Einseitigkeit, Unabgeschlossenheit empirischer Urteile zu
sichtigen; in diesem — nicht im logischen — Sinne ist die (empirische) W.
„relativ" und „partial", setzt aber die absolute und totale (materiale) W. als
und die absolute, streng allgemeingültige logisch-transzendentale W. als
Grundlage voraus. In einem andern Sinne bedeutet die „Relativität" (s. d.)
W., daß sie zwar in gewissem, rein logischen Sinne „an sich",
gültig, unabhängig von der Willkür und Besonderheit des Subjekts
und der subjektiven ist und z. Teil „zeitlos", unabhängig
Tom Wechsel der Erfahrung (mathematische u. a. Wahrheiten), aber doch
nur für die Relationen (s. d.) des absolut Wirklichen („An sich") zum er-
kennenden Bewußtsein überhaupt, also nur für die „Erscheinungen" (s. d.)
nicht das „An sich" selbst betrifft. „Metaphysischer Relativismus" ist also
mit „logischem Absolutismus" sehr wohl vereinbar, mag auch der letztere zu-
weilen in metaphysischen Absolutismus übergehen. An sich im ontologischen
gibt es keine Wahrheit, nur Wirklichkeit; Wahrheit ist stets an ein
Denken (Gedachtwerden) gebunden, ist Geltung eines Denkinhalts
und ohne solchen sinnlos. — Insofern die W. der Urteile diese zu tauglichen
Mitteln im Dienste des Denk- und Erkenntniswillens, also theoretisch zweckvoll
macht, ist sie eine Art Die theoretische (logische) Zweckmäßigkeit eines
Urteils (einer Annahme, einer Hypothese) ist ein Kriterium der Wahrheit,
nicht das Wesen derselben; praktische, biologisch-nützliche Folgen von
Annahmen können nur ein Surrogat für eigentliche Wahrheitskriterien
geben und weisen zuweilen auf tatsächliche W. hin, sind aber oft unzuver-
lässig, können auch bei falschen Urteilen eintreten. Die Konstatierung der
„Nützlichkeit" von Urteilen erfolgt ferner selbst in Urteilen, deren Fürwahr-
halten rein theoretischen Kriterien unterliegt. Es wird immer schon eine
primäre W. (Geltung) vorausgesetzt (vgl. Skeptizismus). Das Eintreffen
Angenommenen, denkend Antizipierten oder Konzipierten in der empirischen
Sphäre ist ein Kriterium empirischer Wahrheiten (vgl. Gültigkeit, Denken,
Urteil, Logik, Sein).
W. im praktisch-ethischen Sinne (z. B. wahre Sittlichkeit, wahre Mensch-
lichkeit) bedeutet Übereinstimmung eines Seienden, eines Verhaltens mit einer
praktischen Idee, einem Ideal, einem Sollen, einem
Die W. wird in der Regel als des Denkens mit dem
Sein oder der Wirklichkeit definiert, wobei meist unter der letzteren die von
Erkennen unabhängige Realität verstanden wird (s. teilweise
aber die der Erscheinungen, der Erfahrungsobjekte oder der objektiven
Bewußtseinsinhalte. Im realistischen Sinne fassen die W. die meisten älteren
Denker auf. So PARMENIDES, PLATON, nach welchem nur das rein Gedachte
wahr ist und nur das Seiende (s. d.) gedacht wird (Republ. 508 E,
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften