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Wahrheit.
385 B). Die Urteile über Ideen (s. d.) gelten absolut: gegen den Relativismus
(s. d.) des PROTAGORAS U. a. Wie Platon (Philebus 37 C) schreibt ARISTOTELES
die W. dem Urteil zu (nicht schon der Vorstellung); wahr ist ein Urteil,
welches vom Seienden aussagt, daß es ist, vom daß es nicht
ist (Metaphys. IV 6, 1011 b 26 ff.; V 29, 25 ff.; VI 4, 1027 b 25 ff.).
Nicht weil wir es denken, ist etwas wahr, sondern wir denken es, weil es so
ist (Met. IX 10, 7 f.). Die Stoiker erörtern das Kriterium der W.,
als welches sie teils die (s. d.) Vorstellung, teils die „rechte
Vernunft" Xoyog) ansehen (Diogen. Laert. VII, 54; SENECA, Epist. 66,
30; CICERO, disput. I, 30: gentium" als Kriterium). Die
Epikureer betrachten als Kriterien die sinnliche Wahrnehmung (vgl. auch
die Kyrenaiker, Sext. Empir., Adv. Mathem. VII, 191, 195) und die
(s. d.; vgl. Diogen. L. X, 31 ff., 62). Vgl. Skeptizismus (Kein Kriterium
der W.).
Auch im Mittelalter gilt die W. als Übereinstimmung des Denkens mit
dem Seienden. Die Existenz absoluter, ewiger Wahrheiten wird gelehrt. So
von AUGUSTINUS, nach welchem wahr so sich verhält, wie es dem
Denkenden erscheint (Soliloqu. II, 5, 8). Die W. ist zeitlos, ewig („erit igitur
veritas, etiamsi intereat", 1. c. II, 2, 32; De immortalit. animae, 19).
In Gott, der unwandelbaren Urwahrheit sind alle Wahrheiten vereinigt und
in ihm werden sie von uns erkannt (De vera religione, 66; Retractat. I, 4, 4;
De liber. arbitrio II, 34; vgl. De civit. Dei VIII, 6; De trinitat. XIV, 15, 21).
Ähnlich lehren ANSELM VON CANTERBURY (De veritate 10, 12, 13; Monolog.
1, 18), THOMAS VON AQUINO (Sum. theol. I, 10, 3), nach welchem die W. eine
intellectus et rei" ist (Contr. gent. I, 59; De veritate 1, 2) u. a.
„Transzendentale" W. („veritas transcendentalis") bedeutet bei den Scholastikern
die begrifflich fixierte Wesenheit („entitas") des Dinges (vgl.
metaphys. 6, sct. 2, 25). Diese (metaphysische) W. ist die Anpassung (ad-
aequatio) der Dinge an den göttlichen Intellekt und dessen „Ideen" (s. d.). —
Betreffs der Lehre von den „doppelten Wahrheiten" s. Wissen.
Ewige Wahrheiten, die Gott selbst als wahr erkennt, gibt es auch nach
DESCARTES (Epist. 104, Princip. philos. I, 48 f.; Medit. s. Axiom).
Das Kriterium der W. ist die Klarheit und Deutlichkeit des Gedachten. Die
klaren und deutlichen Begriffe des „lumen naturale" (s. d.) kommen von Gott,
der uns nicht täuschen kann („veracitas Dei"; Meditat. III; De
S. f.; Princ. philos. I, 29 f.: vgl. Klarheit; dazu: LEIBNIZ, Opera ed. Erd-
mann, S. 79 f.). Ewige Wahrheiten gibt es ferner nach SPINOZA, nach welchem
jede absolut „adäquate", vollkommene Idee wahr ist, mit dem Gedachten (ideato)
übereinstimmt (Eth. I, prop. XXX; II, prop. XXXIV; De emendatione intel-
lectus; Epist. 28). Die W. hat ihre Norm in sich selbst, ist selbstevident
(„sicut lux se et tenebras manifestat, veritas sui et
Eth. I, prop. schoL). MALEBRANCHE unterscheidet „notwendige" (un-
wandelbare) und „kontingente" Wahrheiten (Recherche de la I, 3).
LEIBNIZ, nach welchem die W. in der „Korrespondenz" der Sätze
mit den Dingen besteht (Nouv. Essais IV, K. 5, § 12; vgl. § 2) unterscheidet
kontingente Tatsachenwahrheiten und notwendige Vernunft Wahrheiten („Les
de raison sont et est impossible, et celles de
fait sont et leur oppose est possible", 33; Nouv. Essais
I, K. 1, § 26; IV, K. 13, § 14: „gemischte" Sätze). Im göttlichen Geiste
Handwörterbuch. 47
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften