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740 Wahrheit.
Wert, es entsteht der „Wille zur Wahrheit um ihrer selbst willen". Logisch
gilt die W. „zeitlos", nur unser Erlebnis der W. ist ein zeitlicher Akt des
Willens. „Der Sinn der Wahrheit steckt in ihrer sachlichen Geltung" (Der
Wille zur Wahrheit, 1909). Ähnlich lehrt RICKERT, nach welchem die W.
ein Wert ist, der in einer absolut gültigen Urteilsnotwendigkeit gegeben ist
(s. Transzendent). Dem logischen Wahrheitswillen geht noch der überlogische
sittliche Wille voraus (Der Gegenstand der 1904; vgl. B. CHRI-
STIANSEN, Erkenntnistheorie u. Psychol. des Erkennens, 1902, S. 6 ff.: W.
als Urteilsziel), LASK U. a. Ein Wert ist die W. auch nach J. COHN (Vor-
aussetzungen u. Ziele des Erkennens, 1908), MÜNSTERBERG (Philos. der Werte,
1908, S. f., 126) u. a. — Im kritizistischen Sinne bestimmen die W. E. ARNOLD
(Gesammelte WW. III, 1910, 129), COHEN (vgl. Ethik, 1904, S. 83 ff.),
NATORP (Philos. Propädeutik8, 1909; vgl. Logik«, 1910), KINKEL und
Realismus, 1911), CASSIRER, SIMMEL (Zeitlosigkeit der W., absolute Geltung
der ideellen Inhalte, Hauptprobleme d. Philos., s. unten), BAUCH, LASK,
H. LESER (Das Wahrheitsproblem, 1901) u. a. —
Daß die W. etwas ist oder an ein Denken gebunden ist, lehren
CHR. LOSSIUS (Physische Ursache des Wahren, 1775), GOETHE (WW.
XIX, 53) u. a. (s. Relativismus). Nach SIGWART gibt es keine W. ohne Denken
eines Urteils (Logik 1889/93, 8, 238 ff., 382 ff.; 4. A. 1911); ähnlich
R. RICHTER (Der Skeptizismus II, 1904/08, 163 ff.), W. JERUSALEM (Der
krit. Ideaüsmus, 1905, S. 108 f.), R. GOLDSCHEID U. a. (s. unten), welche
alle die Existenz objektiver allgemeingültiger („inter-subjektiver") Wahrheiten
anerkennen.
Statt der „Übereinstimmung" des Denkens mit dem Sein wird jetzt öfter
von einem bloßen „Entsprechen", einer symbolischen Zuordnung des Denkens
zum absolut Wirklichen, mit dem sich ja das Denken nicht direkt vergleichen
läßt, gesprochen. So von HÖFFDING, nach welchem wir nur Gedanken und
Erfahrungen miteinander vergleichen können. W. ist „nicht Deckungsgleich-
heit oder Qualitätsähnlichkeit mit einem absoluten sondern
ziehungsähnlichkeit (Analogie) zwischen den Ereignissen im Dasein und den
menschlichen Gedanken". Nach dem „dynamischen" (instrumentalen) Wahr-
heitsbegriff die W. der Prinzipien der Erkenntnis in ihrer Gültigkeit,
d. h. ihrem darin, daß man mit ihnen theoretisch arbeiten
kann, d. h. „daß man mit ihrer Hilfe im Verstehen, in der festen und
lichen Ordnung und Verknüpfung des Gegebenen, weiter vorwärts dringen
kann" (Der menschL Gedanke, 1911, S. 282 f.). Ähnlich faßt die W. der
Grundbegriffe und Grundsätze VAIHINGER auf (Die Philos. des Als ob, 1911;
s. Fiktion, Kategorien). Unsere denkend verarbeitete hat
„Wahrheit" nur als Mittel zur theoretisch-praktischen Beherrschung des
gebenen (vgl. NIETZSCHE, WW. XV: „W." als biologische Nützlichkeit von
Urteilen, die rein theoretisch falsch sein können, ohne daß dies ein
gegen ein ist; WW. VII, X, XI; vgl. damit SIMMEL: „Wir
diejenigen Vorstellungen wahr, die sich als Motive des zweckmäßigen,
fördernden Handelns erwiesen haben", Archiv f. systemat. Philos. I, 1895). —
Dynamisch ist auch der Wahrheitsbegriff von JERUSALEM. Wahr ist ein
Urteil, „wenn die darin vorgenommene Formung und Objektivierung dem wirk-
lichen Vorgang in der Weise entspricht, daß Voraussagen, die sich auf das
gefällte Urteil gründen, tatsächlich eintreffen, woraus hervorgeht, daß das
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften