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Wille. 761
macht den Willensvorgang zu etwas seinen Komponenten gegenüber quali-
tativ Neuem, so daß er nicht als die „Summe" derselben betrachtet werden?
darf. Aus dieser Tendenz ergeben sich Veränderungen zunächst des eigenen?
Zustandes des Wollenden, vermittelst dieses dann auch Modifikationen von Zu-
ständen anderer Dinge. Je nachdem die Folgen des Willens
physischer Art (Bewegungsänderungen) oder aber geistiger Art sind (Verände-
rungen an Vorstellungen und deren Zusammenhängen als solchen), sind äußere
und innere Willenshandlung zu unterscheiden. Einfache Willensvorgänge
sind jene, welche „impulsiver" Natur sind, von gefühlsbetonten Empfindungen
oder Einzelvorstellungen ausgehen (s. Trieb, Motive; „Triebwille");
gesetzte Willenshandlungen gehen aus dem Zusammenwirken
Motive hervor, sind durch Gedanken, Voraussicht, Überlegung u. dgl.
(Wahl-, Willkürhandlungen, „Vernunftwille"). Im letzteren Falle
Wollen durch Assoziationen, Erfahrungen, Ideen, den Intellekt, das Denken ver-
mittelt, es wird von momentanen Reizungen unabhängig, aus einer
reaktiven zu einer Funktion, welche den Ausdruck der
Persönlichkeit, der in ihr verdichteten Vergangenheit und der von ihr ideell
antizipierten Zukunft bildet, es wird selbst- und zielbewußter Wille,
planvoll reguliert, hemmt, gestaltet, organisiert, zuhöchst als schöpferischer
Kulturwille, der Dinge, Kräfte, Verhältnisse aller Art Sinne
idealer Ziele verarbeiten läßt. Im Denken und Erkennen ist der W. sowohl
primäres Streben, welches in der Aufmerksamkeit (s. d.), Apperzeption (s. d.),
Besinnung usw. sich bekundet, wie als bewußter wirksam (s. Er-
kenntnis, Einheit, Voluntarismus). Der W. ist der Vernunft (s. d.) nicht
gegengesetzt, sondern diese ist die Richtung des besonnenen, höheren Willens
selbst, der das und Triebmaterial lenkt, zu einheit-
lichem Zusammenhange verknüpft. Durch Übung im Bewältigen von
und inneren Hindernissen erstarkt die Willenskraft, und es ist eine wichtige
Aufgabe aller Erziehung, nicht nur den Intellekt, sondern auch die Energie
des theoretischen und praktischen Willens zu steigern und in die kulturgemäße
Richtung zu bringen. Wichtig für die Erziehung wie für das
überhaupt ist die „Mechanisierung" (s. d.) von Willenshandlungen, die durch,
Übungen triebhaft und zuletzt oft automatisch, reflexmäßig werden und
eines ersten Willensimpulses bedürfen. Das Wollen hat auch Nachwirkungen
(„determinierende Tendenzen", ACH), die dem Ablauf des psychischen
schehens eine bestimmte Richtung im Sinne der „Absicht", des
geben. — Betreffs der erkenntnistheoretischen und
Bedeutung des Willens s. Voluntarismus.
Nach der autogenetischen Willenstheorie gilt der Wille als
primäres, zum Teil als elementares oder als das fundamentale psychische Ge-
schehen (s. Voluntarismus); nach der heterogenetischen Theorie ist der
W. sekundär, abgeleitet, ein bloßes Produkt anderer Bewußtseinsvorgänge, sei
es eine Funktion des Vorstellens oder Denkens, sei es eine bloße Gefühls-
wirkung, sei es ein Komplex von Empfindungen und Bewegungen (s.
spezifischer Bewußtseinsvorgang, als intellektuell geleitetes,
rationales Streben, Begehren, welches vom eigentlichen (sinnlichen) Begehren,
der Begierde scharf unterschieden wird, bestimmen den Willen PLATON
D, 163), ARISTOTELES (De anima III 11, 433 ff.; Eth.
Nicom. III 4, 21 ff.), die Stoiker (Diogen. Laert. 166), die-
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Handwörterbuch der Philosophie
- Title
- Handwörterbuch der Philosophie
- Author
- Rudolf Eisler
- Publisher
- ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
- Location
- Berlin
- Date
- 1913
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- Size
- 12.7 x 21.4 cm
- Pages
- 807
- Keywords
- Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
- Category
- Geisteswissenschaften