Web-Books
in the Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geisteswissenschaften
Handwörterbuch der Philosophie
Page - 766 -
  • User
  • Version
    • full version
    • text only version
  • Language
    • Deutsch - German
    • English

Page - 766 - in Handwörterbuch der Philosophie

Image of the Page - 766 -

Image of the Page - 766 - in Handwörterbuch der Philosophie

Text of the Page - 766 -

766 Willensfreiheit. sonnene, vernünftige Ich (oder dessen Vernunft) selbst. So ist Freiheit des Wollens und Handelns aktive Selbstbestimmung, zuhöchst Wollen und Handeln gemäß den Ich selbst gesetzten oder anerkannten Werten, Zielen, Ideen und Idealen als Inhalt und Ausdruck des obersten, reinen Willens selbst. Unfrei ist nur derjenige, dessen Wille sich infolge irgendwelcher (z. B. intellek- tueller) Hemmungen entweder gar nicht regen kann oder dessen Energie gegen- über zu heftigen, abnormen Reizungen (Trieben, Affekten) zu schwach ist (vgl. Zurechnung); anderseits ist absolute und konstante Freiheit nur ein Ideal, das wir uns etwa in der Gottheit verwirklicht denken. Das bewußtsein besteht darin, daß wir oft vor der Tat glauben, Verschiedenes, ja Entgegengesetztes wollen und tun zu können, oder das wir nach der Tat meinen, wir hätten auch anders wollen und handeln können. Die Kritik dieses Freiheitsbewußtsein, auf das sich der Indeterminismus zu stützen pflegt, ergibt: 1. Der Kampf der Motive, das Schwanken bei der Überlegung beruht darauf, daß noch nicht ein bestimmtes Motiv herrschend geworden ist; daher das Ge- fühl der Ungebundenheit bei der „Wahl", welches durchaus berechtigt ist, denn Wählenden sind tatsächlich mehrere Handlungs- und Entscheidungsmög- lichkeiten angelegt, aus deren Konkurrieren erst eine siegreich hervorgeht, oft ohne daß der Handelnde selbst weiß, welche es sein wird. Nach der Tat er- innert man sich der anderen, nicht realisierten Möglichkeiten und meint dann, man hätte sich auch für diese entscheiden können. Gewiß! Aber eben nur dann, wenn damals die Konstellation, die Bewußtseinslage eine andere, etwa die, wie sie jetzt nach der Tat (bzw. infolge derselben) sich darstellt, wäre. frei der Mensch sein mag: daß schließlich jedesmal sein Wollen so ausfällt wie sein Charakter, seine Persönlichkeit unter bestimmten Umständen wählend sich entscheidet, ist zugleich notwendig, kann (im Nachhinein) nicht anders beurteilt werden als eine Folge zureichender Gründe, mit denen sie gesetzt ist. Da aber das Ich sich entwickelt, fortschreitet, durch sein eigenes Wollen und dessen Folgen modifiziert wird, so ist es bei allem Überwiegen einer Ge- samttendenz — nicht ein für allemal in seinen Willensreaktionen festgelegt, es ist also durch Fremd- und Eigenerziehung, in verschiedenem Maße, beein- flußbar, und wir können nicht mit absoluter Bestimmtheit voraussagen, wie es in Zukunft wollen wird. Das Prinzip des „Wachstums geistiger Energie", die qualitative Besonderheit der psychologischen Kausalität, die Entwicklung und Synthese, die für das Geistesleben, welches seine eigene Ge- setzlichkeit hat, charakteristisch ist, verhindern dies. Die Theorien betreffs der W. gehören dem (s. d.) oder dem Indeterminismus (s. d.) oder vermittelnden Richtungen an. Der ex- treme (naturalistische, mechanistische) Determinismus betrachtet das Wollen als notwendige, unabänderliche Wirkung äußerer (physischer) Faktoren, der psycho- logische D. als bedingt durch andere psychische Vorgänge (gefühlsbetonte Vorstellungen), zu oberst vom Charakter, von der Persönlichkeit, welche mit den Motiven zusammenwirkt oder sie beeinflußt. Damit verbindet sich dann die Lehre von der sittlichen Freiheit und zuweilen geht dieser Determinismus auch in einen gemäßigten Indeterminismus (als „Autodeterminismus") über. Auch der Indeterminismus hält alles Wollen für begründet, aber nicht nur daß die Motive den Willen nicht nötigen, so daß er sich gegen das stärkste Motiv entscheiden kann, ist er selbst der eigentliche Grund der einzelnen Willensakte, bestimmt er sich selbst mit voller Freiheit, wenn auch in der
back to the  book Handwörterbuch der Philosophie"
Handwörterbuch der Philosophie
Title
Handwörterbuch der Philosophie
Author
Rudolf Eisler
Publisher
ERNST SIEGFRIED MITTLER UND SOHN
Location
Berlin
Date
1913
Language
German
License
CC BY-NC 3.0
Size
12.7 x 21.4 cm
Pages
807
Keywords
Philosophie, Geisteswissenschaften, Objektivismus
Category
Geisteswissenschaften
Web-Books
Library
Privacy
Imprint
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Handwörterbuch der Philosophie