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Kunst und Kultur
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte, Volume LIX
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Milena bartlová30 erhaft, eindeutig und immer identisch fixierten Wort m.E. notwendige Voraussetzung für die Idee vom Wort als der ewig gleichbleibenden und festen Grundlage des institutionellen Glau- bens der „irdischen“ Kirche. Im Licht der immer und überall identischen Präsenz des gedruckten Wortes erscheint die traditionelle Repräsentation und Kommunikation des göttlichen Logos durch das gesprochene Wort oder das Bild plötzlich als unzuverlässig und unsicher, scheint sie zu sehr dem materiellen Wesen und der Zweideutigkeit der sündigen Welt unterworfen. Mag die katholi- sche Kirche in der Gegenreformation durch ihre institutionelle Garantie die visuelle Repräsen- tation auch als zulässig und relevant anerkannt haben, so büßten die Bilder in der frühen Neu- zeit und selbst innerhalb der katho lischen Kultur doch ihre frühere noetisch vollwertige Stellung ein. Der Schwerpunkt ultimativer Gültigkeit verlagerte sich auf das eindeutige und dauerhaft gleichbleibende Wort.10 In der mittelalterlichen Kultur, d.h. vor der Ausbreitung des Buch- drucks und bevor seine Folgen soweit verinner- licht waren, daß sie die Denkweise zumindest der Stadtbevölkerung veränderten, konnte das Konzept vom göttlichen Wort nicht jene objek- tivierte Gestalt annehmen, die es als Pfeiler der Reformation tauglich machte. Die entschei- denden Kommunikationsmittel blieben bis ins letzte Drittel des 15. Jahrhunderts zum einen die Performanz des öffentlichen Sprachausdrucks (Predigten), zum anderen die Bilder. Das Wort bedeutete etwas, das sprichwörtlich zum einen Ohr hineingeht und zum anderen wieder hinaus. Die materielle Realisation des Wortes war durch performative Aktionen möglich, während der chirographische Eintrag nicht über die notwen- dige interpersonelle Verbindlichkeit verfügte. Von diesem Umstand her, läßt sich die Fest- stellung präzisieren, es habe nach der Mitte des 15. Jahrhunderts eine Verlagerung von der auditi- ven zur visuellen Kommunikationsform stattge- funden, wobei es allerdings um das Wort und die Frage geht, wie es im Medium des mündlichen Sprachausdrucks und der Performanz einerseits und im Medium von Schrift bzw. Druck ande- rerseits wahrgenommen wird. Vergleicht man demgegenüber die Rolle der visuellen Kommu- nikationsmittel mit der des geschriebenen oder gedruckten Textes, so brachte die Reformations- zeit eher eine Verlagerung vom Visuellen (bild- lichen) zum Verbalen (textlichen). Heute sind wir übrigens Zeugen einer neuen Verlagerung, wobei, wie es scheint, der Wechsel von verbalen zu visuellen Kommunikationsformen geht. All dies erscheint mir wesentlich, um zum einen die unterschiedlichen Möglichkeiten von Hussitentum und lutherischer Reformation zu beleuchten, zum anderen, um zu verstehen, wel- che Rolle dem Bild im Hussitismus zukam. Es war dies eine nach wie vor voll und ganz mittelal- terliche Rolle. Luthers „Reformation des Bildes“ im ersten Viertel des 16. Jahrhunderts bestand in der Einordnung des Bildes unter die religi- ösen adiafora, also unter die für die Erlösung nebensächlichen Gegenstände.11 Indes ist nicht das materielle Bild, das wir vor uns haben, für Luther wesentlich, sondern das mentale Bild im Geist und im Herzen. Dort ist es, wo die Gefahr des Götzendienstes besteht, und darauf muß das Bemühen der neu geschaffenen (re-formierten) Kirche ausgerichtet sein. Eine solche Klassifizie- rung wurde durch zwei für die europäische Kul- tur bedeutende Verschiebungen ermöglicht, die beide gegen Ende des 15. Jahrhunderts stattfan- den und das „Ende des Mittelalters“ kennzeich- nen. Die erste ist die erwähnte Schwerpunktver- lagerung bei der Kommunikation des göttlichen 10 Vgl. J. Robert, Evidenz des Bildes, Transparenz des Stils – Dürer, Erasmus und die Semiotik des Porträts, in: F. Büttner/G. Wimböck (Hrsg.), Das Bild als Autorität: die normierende Kraft des Bildes, Münster 2004, S. 205–226. 11 J. L. Koerner, The Reformation of the Image, Chicago 2004.
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Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte Volume LIX
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Title
Wiener Jahrbuch für Kunstgeschichte
Volume
LIX
Editor
Bundesdenkmalamt Wien
Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien
Publisher
Böhlau Verlag
Location
Wien
Date
2011
Language
German, English
License
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-78674-0
Size
19.0 x 26.2 cm
Pages
280
Keywords
research, baroque art, methodology, modern art, medieval art, historiography, Baraock, Methodolgiem, Kunst, Wien
Category
Kunst und Kultur
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